Problemtiere, und wie man sie dazu macht Von Karl Wegmann

Als wenn jemand einen Schalter umgelegt hätte: klick! Und plötzlich war der Sommer da. Wir holten sofort die Gartenmöbel raus, köpften das erste Weizenbier des Jahres, warteten auf den ersten Sonnenbrand und redeten über Urlaub. „Was wohl aus Korcula geworden ist?“ fragte Konscho. In den 70ern war die süddalmatinische Insel unter deutschen Hippies ein beliebter Ferienort. Wir waren oft da. „Ihr kennt Korcula?“ wunderte sich Regina. „Ich habe erst kürzlich was darüber gelesen. Da sollen noch wilde Schakale leben.“ Wir schauten uns verständnislos an. Schakale? Wir hatten damals unter dem Einfluß illegaler Substanzen alle möglichen seltsamen Dinge auf Korcula gesehen, aber keine Schakale.

„Mag sein“, sagte Willy, „aber viel interessanter ist die Geschichte, die sich auf der Nachbarinsel Mljet zugetragen hat. Auf Mljet gab es massenhaft Schlangen“, erzählte er. „Die Bewohner waren ziemlich abgenervt, weil das Kriechzeug auf der Insel keine natürlichen Feinde hatte und sich pausenlos vermehrte. Da berichtete ihnen eines Tages ein Seemann von Indien, und daß es dort Mungos gäbe, deren Leibspeise Schlangen wären. Das war die Lösung. Die Insulaner warfen ihr Geld zusammen und besorgten sich, das war so um die Jahrhundertwende, ein einziges Schlangenpärchen, direkt aus Indien. Und es funktionierte. Binnen weniger Jahre war das Schlangenproblem aus der Welt geschafft. Doch die Leute von Mljet waren trotzdem nicht glücklich, denn jetzt hatten sie ein Mungoproblem.“

„Tolle Geschichte“, lachte Konscho, „aber ich kenn' eine, die ist brandaktuell und handelt von einem Ziegenproblem auf einer griechischen Insel.“ Ziegen? „Ziegen sind lecker“, warf Hermann unnötigerweise ein. „Jawohl, ein Ziegenproblem“, dozierte der Grieche weiter, „und das entstand so: Auf Thassos gibt es doch jedes Jahr diese verheerenden Waldbrände. Wenn das so weitergeht, sieht die schöne Insel bald wie eine Mondlandschaft aus. Aber Griechenland ist ja Mitglied in der Europäischen Gemeinschaft. Also wurden für die Wiederaufforstung von Thassos EG-Gelder beantragt und prompt bewilligt. Überall sah man nun junges Grün. Aber die Sache hatte einen Haken. Man hatte nämlich vergessen, daß die EG auch für die Ziegen der Bauern zahlt. Je mehr Ziegen, je mehr EG-Geld. Das hatten auch die Bauern auf Thassos schnell kapiert, sie schafften sich immer mehr Ziegen an und kassierten.

Nun gab es aber für diese riesigen Herden auf der Insel nicht genug zu fressen, deshalb trieben die Bauern ihre Tiere auf die gerade wiederaufgeforsteten Flächen. Die Ziegen sind ganz scharf auf die zarten Triebe der Kiefern. Deshalb hat Thassos jetzt ein Ziegenproblem und keine neuen Wälder.“

„Das ist ganz einfach zu lösen“, behauptete Hermann. „Die sollen die jungen Ziegen ruhig alle hier rüberschicken. Griechische Ziegen schmecken nämlich verdammt gut, das Fleisch ist so würzig, weil sie dauernd diese ganze Kräuter, Thymian und Majoran und so, fressen. Bin gespannt wie Kiefern-Ziege schmeckt.“ Der Abend, unsere Sonnenbrände leuchteten, endete damit, daß wir kübelweise Spott auf die EG kippten und in einem heftigen Streit um die beste Zubereitung von Ziegen. Grillen, ich sage nur: grillen!