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Schützt die Konservatoren allerorts!

■ Die Filmarchive der Bundesrepublik fürchten um ihren Bestand – Hilfe in Sicht?

„Alle Macht den Archivaren, sonst wird die Nachwelt nichts erfahren“: Dieser Spruch ziert vermutlich jedes zweite deutschsprachige Archiv. Zumindest in den Filmarchiven aber wird darüber niemand mehr lachen können.

Die Öffentlichkeit wurde erstmals vor zwei Jahren auf die angespannte finanzielle Lage der Filmarchive aufmerksam, als das dem Deutschen Filmmuseum angeschlossene Kommunale Kino in Frankfurt geschlossen werden sollte. Erst ein bundesweiter Protest, der vor allem von großen Namen der Filmszene getragen wurde, verhinderte die Schließung. Finanziell aber hat sich gar nichts geändert: Sämtlichen Frankfurter Museen, so Walter Schobert, Leiter des Filmmuseums, „wurde das Geld für die operative Arbeit gestrichen“. Die Stadt Frankfurt zahlt die Gehälter und stellt das Gebäude. Den Rest „müssen wir uns nach dem Prinzip der freien Marktwirtschaft selbst verdienen; wie, das bleibt uns unbenommen“. Schobert legt Wert auf die Feststellung, daß diese Situation, nachdem der „Totalschock“ erst einmal verdaut war, kreative Kräfte freigesetzt habe.

Genau dies aber, sagt Schoberts Münchner Kollege Jan-Christopher Horak, Leiter des Filmmuseums in München, „kostet sehr viel Energie, die dann in der kreativen Arbeit fehlt“. Die Arbeit in München, so Horak, sei allerdings „ganz und gar nicht bedroht“. Andernfalls hätte man sich den jüngsten Coup – die Akquisition des filmischen Erbes Orson Welles' – auch nicht leisten können.

Wie Schobert, so sucht auch Horak sein Heil in der Flucht nach vorn. Dazu gehört zum einen die intensivierte Öffentlichkeitsarbeit, etwa in Form der monatlichen Programmzeitschrift Off. Anders als sein Vorgänger Enno Patalas, der sich durch sein Engagement für die Restaurierung alter deutscher Filme international einen Namen gemacht hat, versucht Horak, mit populären Filmen auch ein jüngeres Publikum anzusprechen.

Viel Zuspruch erhalten die Diskussionsforen mit prominenten Gästen wie dem Kameramann Jost Vacano („Showgirls“), Hans-Christoph Blumenberg oder Ulrike Ottinger.

Da jedes der sieben deutschen Filmarchive andere Schwerpunkte setzt, kann man sie kaum vergleichen. Während sich das Filmmuseum in München seinen Ruf vor allem als Ort der Konservierung und Restaurierung deutscher Filme verschafft hat, versteht sich das Deutsche Filmmuseum in Frankfurt als enzyklopädisch. Auf sieben Stockwerken versammelt es neben dem Kino eine Bibliothek mit 50.000 Bänden, es bietet Sammlungen von Drehbüchern, Fotos und Filmplakaten, Architekturzeichnungen, Werbematerialien, Musik für den Stummfilm und allerhand Gerätschaften aus der Welt des Films.

Neidvoll blicken die Leiter der Archive nach Berlin, zum dortigen Filmarchiv. Wie die Stiftung Deutsche Kinemathek oder das Deutsche Institut für Filmkunde (Wiesbaden) wird das Filmarchiv – eine selbständige Abteilung des Bundesarchivs – direkt vom Bundesinnenministerium gefördert. Das Filmarchiv im Bundesarchiv ging 1990 aus dem Zusammenschluß des Staatlichen Filmarchivs der DDR und der entsprechenden Referate des Bundesarchivs hervor. So entstand auf einen Schlag eines der größten Filmarchive der Welt. Allein die Filmsammlung umfaßt derzeit rund eine Viertelmillion Titel. Hinzu kommen 345.000 Fotos, über 20.000 Filmplakate, Tausende Filmprogramme sowie eine Fachbibliothek mit über 11.000 Titeln. Eine Besonderheit des Filmarchivs ist die Sammlung von deutschen Zensurkarten aus den Jahren 1908 bis 1945.

Auch das Berliner Filmarchiv wird über kurz oder lang neue Wege gehen müssen. Dazu gehört in Frankfurt wie in München die Einrichtung eines Kuratoriums. In Frankfurt ist es diesem Freundeskreis unter anderem zu verdanken, daß die Schließung des Kommunalen Kinos verhindert werden konnte. In München hingegen soll das „Münchner Filmzentrum – Freunde des Münchner Filmmuseums“ zu einem echten Förderverein werden. Zum Münchner Kuratorium zählen unter anderem Senta Berger, Bavaria-Geschäftsführer Thilo Kleine und Edgar Reitz. Tilmann P. Gangloff

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