■ SURFBRETT
: Ein Rolls-Royce für die Armen

Ingo Günther, Netzkünstler, will Vorbild für die ganze Welt sein. Er hat deshalb eine Republik für Flüchtlinge gegründet (http://www.t0.0R.at./~RR). Praktische Hilfen freilich sind weniger seine Sache. Günther ist Künstler und posthumanitärer Idealist. Seine Website bietet einen „passport“ an, ein symbolisches Dokument, geschmückt mit einem Doppel-R, das dem Rolls-Royce-Logo nachempfunden ist. „Das hat damit zu tun, daß ich Rolls-Royce gerne als Investor für die Refugee Republic hätte“, sagt Günther, außerdem müsse man sehen, „daß Flüchtlinge eine Art Rolls-Royce ohne Räder sind“, die – so geht es auf der Website schriftlich weiter, „als transglobales Netz verstanden und mit einer eigenen Staatsform ausgestattet, die besten Kandidaten sind, eine sozioökonomische und politisch-ideologische Avantgarde fürs nächste Jahrtausend zu werden“.

Günther hält sich vorerst ans Ökonomische, er träumt vom schnellen Profit. Sein Flüchtlingsstaat ist eine Kapitalanlage für Privatfirmen. „RR geht davon aus, daß Flüchtlinge im wesentlichen unverwertetes Kapital sind und daß ihr unfreiwilliges Schicksal in produktive Vermögenswerte umgewandelt werden kann“. Einen Investor, den US-Konzern NTT, will der Kunstschaffende bereits gefunden haben, immerhin weiß er, daß „die historischen Flüchtlingsrepubliken der modernen Geschichte, die USA voran, zeigen, daß ein ständiger Zufluß Fremder ein essentieller Teil des Erfolges des reichsten Landes der Welt ist“.

Kein Wort von den Bedingungen, unter denen diese Fremden arbeiten mußten und müssen, von der Sklaverei bis zu den Arbeitsbedingungen in der Billigproduktion von Mexiko. Günther will lieber eine „kontemporäre und praktische Neuinterpretation der Menschenrechte“ anregen, in der alles eines wird: „Die Grenzen zwischen Jet-set, internationalen Handelsreisenden, Wirtschaftsflüchtlingen und Migranten, Kulturflüchtlingen etc. sind fließend. Ein temporärer Melting pot entsteht im Flugzeug, wo die Refugee Republic sich nach den Regeln der Luftfahrtgesellschaften realisiert.“ Wie viele Flüchtlinge aus Ruanda, Kaschmir oder Guatemala werden es wohl sein, die ihren Zufluchtsort in der Business class eines Flugzeugs erreichen, wo sie mit dem Jet-set Champagner süffeln und dabei Republik spielen dürfen? Vielleicht erreicht sie die Botschaft aber gar nicht. Und wenn doch, werden sie womöglich das „tele- adventure“ des Ingo Günther aus der Bookmark-Liste streichen. Miriam Lang

mir@is-in.berlin.de