„High-Tech“-Minen dürfen weiter töten

Ein Totalverbot für Antipersonenminen ist nicht in Sicht: Das UN-Minenprotokoll wird nur geringfügig verschärft. Vor allem Waffenhändler aus den Industriestaaten profitieren davon  ■ Aus Genf Andreas Zumach

Der Einsatz und Export herkömmlicher Antipersonenminen soll künftig lediglich eingeschränkt, aber nicht verboten werden. Das seit Jahren von zahlreichen humanitären Organisationen geforderte Totalverbot dieser Waffen, die jährlich rund 30.000 Menschen töten oder schwer verstümmeln, wird es nicht geben. Antipanzerminen bleiben ohne Einschränkung erlaubt. Auf diese geringfügige Verschärfung des Minenprotokolls der „UNO-Konvention über besonders gefährliche Waffen“ von 1980 verständigten sich am Mittwoch in Genf die bislang 53 Vertragsstaaten auf der Konferenz zur Überprüfung der UNO-Konvention. Deutschland und andere nördliche Industriestaaten sorgten dafür, daß auch neue Mienen- und Munitionstypen, deren Explosion sowohl von Fahrzeugen wie von Personen ausgelöst werden kann, von dem Abkommen nicht erfaßt werden. Der für Freitag vorgesehenen formalen Verabschiedung des neuen Minenprotokolls standen nur noch Forderungen Pakistans nach einer weiteren Aufweichung der vorgesehen Exportrestriktionen entgegen. Der schwedische Vorsitzende der Konferenz, Johan Molander, sprach von einer „Einigung auf kleinstem gemeinsamen Nenner“.

Das neue Minenprotokoll tritt erst in Kraft, wenn sich mindestens 20 Vertragsstaaten schriftlich zu seiner Einhaltung verpflichtet haben. Völlig verboten werden soll künftig der Einsatz und Export von Antipersonenminen aus Plastik, die wegen ihres mangelnden Metallgehalts nicht mit Minensuchgeräten aufgespürt werden können. Staaten, die erklären, daß sie diese Bestimmung „nicht sofort erfüllen können“, können derartige Minen allerdings während einer Übergangszeit von neun Jahren nach Inkrafttreten des neuen Minenprotokolls weiterhin unbegrenzt einsetzen und exportieren. Wenn Platikminen eine Mindestmenge von acht Gramm Metall beigefügt wird, dürfen sich auch nach dieser Übergangsfrist eingesetzt und exportiert werden – dann allerdings nur noch in markierten, eingezäunten und von Soldaten bewachten Gebieten (zum Beispiel zum Schutz von Kasernen oder anderen militärischen Anlagen). Ohne jede Einschränkung dürfen nach der Übergangszeit nur noch solche Antipersonenminen eingesetzt oder exportiert werden, die mit Mechanismen zur Selbstzerstörung und Selbstdeaktivierung ausgerüstet sind. Der Mechanismus zur Selbstzerstörung soll einen Verläßlichkeitsgrad von mindestens 90 Prozent aufweisen, derjenige zur Selbstaktivierung von 99 Prozent. Derartige „High-Tech“- Minen wurden bislang vor allem in den nördlichen Industriestaaten entwickelt.

Das künftige Protokoll I definiert Antipersonenminen als Minen, die „hauptsächlich entwickelt“ wurden, um durch die Nähe oder durch die Berührung von Personen zur Explosion gebracht zu werden. Nach Auskunft von an den Verhandlungen beteiligten westlichen Diplomaten wurde der Begriff „hauptsächlich“ auf Betreiben Deutschlands und Österreichs sowie mit Unterstützung Großbritanniens in den Text aufgenommen. Damit bleibt eine Schlupfloch für solche High-Tech-Minen, die von den Herstellerstaaten und -firmen zwar offiziell als „Antipanzerminen“ deklariert werden, die wegen ihrer Ausstattung mit einem „Antiräummechanismus“ (der bei Berührung explodiert) und anderer technischer Besonderheiten jedoch genau so gefährlich für Personen sind wie herkömmliche Antipersonenminen. Mit geplanten Haushaltsmitteln von 302 Millionen Mark bis zum Jahr 2000 läßt das Bonner Verteidigungsministerium derzeit eine solche Mine von „Rheinmetall“ entwickeln.

Auf Bestimmungen zur Überprüfung der Einhaltung des neuen Minenprotokolls konnten sich die 53 Vertragsstaaten nicht einigen. Eine nächste Überprüfungskonferenz mit der Möglichkeit zur Veränderung des Protokolls soll frühestens im Jahr 2001 stattfinden.

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