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Schießen Sie auf den Aktionisten

■ Extremperformer in der GAK: „Ausdauer“ – Verstümmelungen als tiefschürfendes Kunstwerk

Klaffende Wunden, offen liegende Gedärme, geborstene Schädel: Extreme Gewaltdarstellungen wie diese mögen das Filmpublikum ekeln; die Spezialisten des Genres hingegen sehen darin auch metaphorische Qualitäten. „Daß man etwas sieht, was im Inneren passiert“, ist z.B. für den Splatterfilmer „Graf Haufen“ das eigentlich erregende Moment. Eine Sichtweise, die man auch in verwandten Kunstformen antrifft. Was der Film zumeist mit viel Kunstblut inszeniert, bieten die Künstlerinnen und Künstler der Sparte „Extremperformance“ sogar als Live-Ereignis – ohne Maske, ohne Stunts und doppelten Boden. Der geschundene, offene Künstlerkörper als Ort für tiefere Einblicke: Wie sich diese Idee seit den 60er Jahren entwickelte und was sich die Kunstschaffenden seither so alles angetan haben – das dokumentiert ab heute die Ausstellung „Ausdauer“ in der Bremer GAK (Gesellschaft für aktuelle Kunst) in Text und Bild.

In teils spektakulären Großfotos werden die Performances uns noch einmal vor Augen geführt. Nicht selten sind das ziemlich schockierende Ansichten durchbohrter, zerschnittener oder sonstwie malträtierter Körper. GAK-Chefin Eva Schmidt, die die Ausstellung aus New York nach Bremen holte, bemüht sich angestrengt, die Schock- und Schaueffekte herunterzuspielen: „Nicht um die individuelle Qual, nicht um den privaten Körper geht es, sondern um den den Körper des Künstlers, der ein öffentlicher und exemplarischer ist“ – als „Stellvertreter und Antipode der hedonistischen Gesellschaft“. Was sich diese zufügt, so die These, das macht der Künstler am eigenen Leibe sichtbar.

Tatsächlich führen die Künstler ihre waghalsigen Aktionen oft ohne großes Aufhebens um ihre eigene Person durch. Chris Burden erledigt seine legendäre Performance „Shoot“ (1971 in New York) mit kühler Routine: „Um 19.45 Uhr schoß ein Freund aus einer Entfernung von ungefähr vier Metern in meinen linken Arm. Die Kugel war ein Kupfermantelgeschoß, Kaliber 22, für ein Gewehr.“ Das Protokoll, fester Bestandteil aller Burden-Aktionen, macht in seinem bürokratischen Tonfall die Brutalität und Alltäglichkeit des Vorgangs deutlich. Erst das macht den Horror der Performance aus.

So wird der gierige Blick auf das nackte, versehrte Fleisch immer wieder gegen das Publikum selbst gewendet. Halb- oder auch splitternackt wälzen sich z.B. Valie Export und Gina Pane vor den Augen ihrer Performancegäste, bohren schwersymbolisch Rosendornen in ihre Arme oder kullern über Scherbenbeete. Eine nette Einladung an (männliche) Voyeure, wie es scheint. Aber die körperliche Nähe zwischen Akteurin und Betrachter – und natürlich der Anblick der unkalkulierbaren, realen Verletzungen – konfrontieren das Publikum immer wieder mit den eigenen, lüsternen oder gar sado-masochistischen Erwartungen.

Aber bei allen philosophischen Betrachtungen: Der Showeffekt, den diese Nummern bieten, läßt sich nicht bestreiten. Zumal die Lust der Künstler am Spektakel derzeit deutlich steigt, wie in der Ausstellung deutlich wird. Mit einer Schlafzimmernummer wie John & Yokos „Bed-Performance“ von 1969 ließe sich die Öffentichkeit heute schwerlich beeindrucken. Es muß schon ziemlich hart, blutig und live auf allen Kanälen sein: Die Künstlerin Orlan läßt ihre Gesichtsoperationen, mit denen sie die aktuellen Schönheitsideale förmlich auseinandernimmt, vom OP-Saal aus in die Welt ausstrahlen. Thomas Wolff

Bis 16. Juni in der GAK (Teerhof 21); Eröffnung heute um 19 Uhr mit einer Live-Performance von Boris Nieslony

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