Zwischen den Rillen
: Shake your Melodymaker

■ Was das Spinnerherz begehrt: High Llamas und Able Tasmans

Hey Spinner, wo seid ihr abgeblieben? Die Zeit ist nicht die eure, doch gegen den kleinen, feinen, ziselierten Popsong hat eigentlich niemand was – nur ausgegraben und den Leuten ins Gesicht gehauen werden muß der halt. Folglich waren auch die britischen High Llamas und die neuseeländischen Able Tasmans selten zur rechten Zeit am rechten Ort; ihrer Unbeirrbarkeit hat das keinen Abbruch getan, neue Alben gibt es auch in diesem Jahr von beiden.

Damals, vor mehr als zehn Jahren, als alle Welt sich in neuseeländische Musik verliebte, reichte es für die Able Tasmans leider nur zum Geheimtip: Auf dem (erstmals einer Indie-Öffentlichkeit Musik aus Neuseeland vorstellenden) „Tuatara“-Sampler waren sie nicht vertreten, ihre Alben erschienen hierzulande immer mit zweijähriger Verspätung, und Geld für ein Flugticket nach Europa gab's kaum. Der kleine Ruhm der Chills, Tall Dwarvs oder von Bailter Space blieb den Able Tasmans jedenfalls immer verwehrt.

Etwas anders stellt sich das mit den High Llamas dar, war doch Sean O'Hagan, ihr Vorturner, schon mehr oder minder erfolgreich in einer anderen Band tätig: Microdisney, eine Mittachtzigerkapelle, die letztlich auch eher was für Schöngeister und Prefab Sprout-Liebhaber war. Während aber Prefab Sprout irgendwann in den Charts landeten oder im Nachmittagsprogramm niedersächsischer Privatsender, landeten Microdisney auf dem glanzvollen Müllhaufen der Popgeschichte.

Ein besseres Leben gibt es immer, und wo sich die eine wichtige Hälfte von Microdisney, Cathal Coughlan, fürderhin mit den Fatima Mansions abmühte, gründete O'Hagan die High Llamas.

„Hawai“ ist ihr mittlerweile dreieinhalbtes Album, ein opulentes Großwerk mit allem, was das Spinnerherz begehrt: feines Songwriting, allerdings nicht als egozentrierte Bekenntnisliteratur, sondern als Fortsetzungsroman in epischer Breite (wenn es einmal „Literature Is Fluff“ heißt, kann O'Hagan das nicht so meinen – würde er ja selbst mit zu Staub werden), kindlich-verspielt anmutende Gesänge, Melodien, Melodien und nochmals Melodien.

Eingebettet ist das in ein weit über die bloße Verzierung hinausgehendes instrumentelles Konzept mit Streichern, Bläsern, Pianoklängen und fettestem Einsatz von Percussions und Synths (Moogs!) – allen Melodymakern, die man sich gemeinhin als Wärmespender so vorstellt. 29 Songs sind auf dem Album, fast jede zweite Nummer ist ein instrumentelles Interlude: So fängt das Album ohne Worte an mit „Cuckoo“ und „Sparkle Up“, zwei Orgien in der Kammer, für die man immerhin zweimal leben könnte, und endet in einer „Instrumental Suite“. An jeder Stelle kann man sich ein wenig einkuscheln, baden in diesem Soundschaum und eine gute Zeit haben, mit Fünf-Uhr-Tee, Madeleines und Büchern der Gebrüder Goncourt oder von George Sand. Grüßen läßt außerdem alles, was an feineren Sachen die Popgeschichte so hergibt: Die Beach Boys, Steely Dan und, neben Prefab Sprout, auch XTC und die O'Hagansche Vorgängerband. Wie die Plattenfirma auf ihrem Vorabtape kundtut, soll „Hawai“ die „Liebe [O'Hagans] zu Hollywood-Filmmusiken widerspiegeln“ und parallel zu einem fünfzehnminütigen Film erscheinen, dessen Titel allerdings nicht „Sinn und Sinnlichkeit“ ist. Als Vorfilm soll es auch in unsere Programmkinos kommen – mal sehen, ob's wahr wird.

Orgie in der Kammer: High Llamas Foto: Sony

Einen Film dürfte man auch zu dem Album „Store In A Cool Place“ der Able Tasmans drehen können: Streicherarrangements von hell bis dunkel, Hörner und ähnliches zu herrlichsten, mal leicht verschnörkelten, mal sehr geradlinigen Pophymnen, wie man sie seit „Kaleidoscope World“ von den Chills nicht mehr gehört hat – und alles umweltfreundlich aus Splittern gebastelt!

Eine Orgel direkt aus der Kirche läßt in „Orenthal's Face“ ein kleines Thema zu einem Popsong werden, aus kirmesähnlichen Geräuschen werden nette Liedchen, und sogar ein Dialog zwischen Alek Hidell (alias Lee H. Oswald) und seiner russischen Frau Marina über Oswalds „Lucky Day“ klingt mit seinen straighten Gitarren paradoxerweise nach der Verheißung von Glück.

Das Spinnerhafte und Verworren-Labyrinthische der Frühzeit der Able Tasmans (wie beispielsweise auf dem 87er Minialbum „A Cup Of Tea And A Lie Down“ oder der bezeichnenden 89er Platte „Hey Spinner“) ist einer direkteren Popsprache gewichen, die die Band eigentlich in irgendwelche Charts katapultieren müßte. Aber wie gesagt, die Zeit ist nicht danach.

Die Able Tasmans und auch die High Llamas musizieren halt etwas vorbei an den herrschenden Popkanons, bestellen ihren kleinen Garten jedoch mit Liebe und Hingabe. Wer sie kennt, kommt nicht so schnell von ihren Songs los, selbst wenn da beizeiten nur die Rosen der Erinnerung blühen. Gerrit Bartels

High Llamas: „Hawai“ (Sony)

Able Tasmans: „Store In A Cool Place“ (Flying Nun/ Rough Trade)