Rätselhafter Tod eines Zeugen

■ Slowakei: Neue Verdachtsmomente im Entführungsfall des Präsidentensohnes Kovač

Berlin (taz) – Im Entführungsfall des slowakischen Präsidentensohnes Michal Kovač jr. hat der Tod eines Polizisten neue Spekulationen ausgelöst. Der Polizist Robert Remias war am Dienstag mit seinem BMW in die Luft gesprengt worden. Er galt als ein wichtiger Zeuge im Entführungsfall. Remias arbeitete nebenher in einer Firma, die mit Autoschiebereien am Rande der Legalität Geschäfte machte. Remias war nach Angaben des slowakischen Innenminsteriums wenige Tage zuvor von der staatlichen Untersuchungskommission im Entführungsfall Kovač verhört worden. Ein ehemaliger Mitarbeiter der Ermittlungskommission sagte gegenüber einem Fernsehsender, daß mit diesem Anschlag ein lästiger Zeuge aus dem Weg geräumt werden sollte.

Der Entführungsfall Kovač entwickelt sich immer mehr zu einer handfesten Staatsaffäre. Die Regierung des slowakischen Premierministers Vladimir Meciar wird verdächtigt, in die Entführung des Präsidentensohns Michal Kováč jr. vom vergangenen August verwickelt zu sein. Kovač wurde wegen Finanzbetrügereien von Österreich und Deutschland mit internatioonalem Haftbefehl gesucht. Da eine Auslieferung von Slowaken nach nationalem Recht jedoch verboten ist, war Michal Kovač von Agenten des slowakischen Geheimdienstes (SIS) kurzerhand nach Österreich verschleppt worden. Die österreichischen Behörden weigerten sich aber, Kovač nach Deutschland auszuliefern.

Gegenüber Radio Free Europe sagte Peter Toth, Journalist der slowakischen Oppositonszeitung Sme, daß Remias ein enger Freund eines Schlüsselzeugen im Fall Kovač war. Sme hat umfangreiche Recherchen zur Entführung veröffentlicht. Bei den Hintergrundgesprächen, so Toth, seien sie regelmäßig von den gleichen Autos beschattet worden. Gerade eine Stunde vor seinem Tod hatte der Polizist mit Tosh ein Gespräch geführt.

Als Hintergrund für den Mordanschlag vermuten Insider, daß Remias sich geweigert habe, gegenüber der Kommission Aussagen zu machen, die die These von der „Selbstentführung“ des Präsidentensohnes stützen könnten.

Die jetzige Untersuchungskommission – die zwei Vorgängerinnen hatten nicht die „gewünschten“ Ergebnisse zur Entlastung des Geheimdienstes SIS geliefert – bringt seit kurzem die Version in Umlauf, Kovač jr. habe sich selbst entführt. Zu möglichen Motiven einer Selbstentführung schwieg sich der Ermittler bislang jedoch aus. Ende April präsentierte der jetztige Chefermittler Jozef Čiž die Aussagen von drei anonymen Zeugen, zu denen er aber nichts sagen wollte, „weil sie geheim sind“. Die Zeugen gaben angeblich zu Protokoll, daß sich mit einem anonymen Telefonanruf bei den österreichischen Grenzern nun belegen lasse, daß der SIS nichts mit der Entführung zu tun gehabt hätte. Der Anruf soll eine halbe Stunde, bevor Kovác seine Wohnung in Bratislawa verließ, an der Grenze entgegengenommen worden sein. Ermittler Čiž berief sich hierbei auf Unterlagen der österreichischen Justiz.

Mit den drei anonymen Zeugen will die Kommission die Aussagen des ehemaligen Geheimagenten Oskar Fegyveres und von Michal Kovač jr. widerlegen, die die Beteiligung des Geheimdienstes SIS am Kidnapping nachweisen.

Gegen zwei der falschen Zeugen hat Kovác Anwalt Ján Havlát inzwischen Strafanzeige gestellt.

Schon Ende März hatte die Regierung Mečiar versucht, über den staatlich kontrollierten Fernsehsender STV die Geschichte der Affäre umzuschreiben. Ohne Erfolg. Daraufhin verfiel der Geheimdienst auf die Idee mit der Selbstentführung. Unkenntlich gemacht und ohne Namen traten die Zeugen im Fernsehen auf und nannten die Entführung „Fälschung“.

Hinter diesen haarsträubenden Manövern vermuten Beobachter Premier Vladimir Mečiar als eigentlichen Drahtzieher der Aktion, mit denen der Vater des Entführten, Staatspräsident Michal Kovač sen. unter Druck gesetzt werden sollte. Der Präsident gilt als schärfster politischer Widersacher von Mečiar.

In der letzten Zeit hatte Mečiar öfters laut über eine Zusammenlegung des Präsidenten- mit dem Premiersposten nachgedacht – mit dem Ziel, ein Präsidialregime zu errichten. Tobias von Heymann