Rußland schließt israelische Büros

■ Die Aktivitäten der für die Einwanderung von Juden nach Israel zuständigen Jewish Agency werden eingeschränkt

Tel Aviv (taz) – Rußlands Regierung will die Aktivitäten der für die Einwanderung von Juden nach Israel zuständigen Jewish Agency einschränken. Das gaben Vertreter der Organisation am Dienstag in Jerusalem bekannt. Einige Büros der Jewish Agency seien bereits von den russischen Behörden geschlossen worden.

Schon vor einigen Wochen hatte das Moskauer Justizministerium die Behörden in den russischen Provinzen darauf hingewiesen, daß nur noch amtlich akkreditierte Vertreter der Jewish Agency in Rußland tätig sein dürfen. Bisher hatten die zumeist israelischen Vertreter der Organisation ihre Aktivitäten praktisch uneingeschränkt entfalten können.

Laut israelischen Medienberichten unterbrachen und verboten russische Regierungsbeamte am Dienstag in Piatrgorsk im nördlichen Kaukasus ein von der Jewish Agency einberufenes Seminar über Emigrationsfragen. Drei Israelis wurden aufgefordert, die Stadt zu verlassen.

In den vergangenen sechs Jahren sind mehr als 600.000 Menschen aus den Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion nach Israel emigriert. Die Einwanderer machen derzeit zehn Prozent der Gesamtbevölkerung und 20 Prozent der jüdischen Bevölkerung Israels aus. Auf dem Gebiet der ehemaligen UdSSR sollen heute noch 1,5 Millionen Juden leben. Israel ist vor allem an der Einwanderung junger Menschen interessiert.

Besonders beunruhigt ist man in Jerusalem darüber, daß die russischen Behörden das seit zwei Jahren laufende „Na'aleh 16“-Projekt (Na'aleh – hebräisch: „laßt uns nach Israel auswandern“) der Jewish Agency unter die Lupe genommen haben.

Im Rahmen des Projekts werden Jugendliche bis zum Alter von 16 Jahren in Trainingslagern auf ihre Auswanderung vorbereitet. Finanziert werden die Operationen vor allem mit aus den USA stammenden Geldern der Jewish Agency.

Bisher ist zwar nichts über eine Auswanderungsbeschränkung für russische Juden bekannt geworden, aber die Besorgnis in Jerusalem über die Zukunft der Tätigkeit der Vertreter zionistischer Emigrationsorganisationen in Rußland ist groß.

Der Vorsitzende der Jewish Agency, Abraham Burg, flog am Mittwoch zu dringenden Beratungen über die Entwicklung in Rußland in die USA. In einem Telegramm an den russischen Justizminister Valentin Kawilow hatte er zuvor gegen die Maßnahmen protestiert. Die Jewish Agency sei in vielen Ländern aktiv, schrieb er, aber nirgendwo werde sie so schlecht behandelt wie in Rußland. Auch die US-Regierung verlangte von Moskau eine Erklärung für die Einschränkung der Aktivitäten der Jewish Agency.

Die Frage der Einmischung russischer Behörden in die israelische Einwanderungspolitik war auch Thema der Gespräche zwischen Israels Regierungschef Schimon Peres und Rußlands Außenminister Jewgeni Primakow, als dieser vor zwei Wochen in Israel weilte, um die isralischen Angriffe im Südlibanon zu stoppen. Obwohl Rußland zusammen mit den USA Sponsor des Nahost-Friedensprozesses ist, lehnte Peres die von Primakow vorgeschlagene Beteiligung seines Landes am Verhandlungsprozeß mit Syrien ab. Das vergrößerte die Spannungen zwischen Moskau und Jerusalem weiter.

Der Schwenk der russischen Regierung gegenüber der israelischen Einwanderungspolitik könnte das Verhältnis weiter abkühlen lassen. Die Jewish Agency hat bereits jüdische Organisationen in aller Welt alarmiert, sich auf eventuelle Kampagnen gegen eine antizionistische Politik Rußlands vorzubereiten. Amos Wollin