Schröder in der Haushaltsklemme

Ministerpräsident Schröder hat bei seinem Kabinett nur ein Drittel der geplanten Sparsumme von 2,3 Milliarden Mark durchsetzen können. Wo gespart wird, bleibt geheim  ■ Aus Hannover Jürgen Voges

Das Ganze sollte das Macher- Image des niedersächsischen Ministerpräsidenten pflegen und war seit langem mit großen Brimborium angekündigt: Zu sogenannten Sechs-Augen-Gesprächen hatte Gerhard Schröder seine Kabinettsmitglieder am Dienstag und Mittwoch bestellt. Zusammen mit seinem Finanzminister wollte er die Haushalte der Ressorts für 1997 um insgesamt 2,3 Milliarden Mark kürzen. Doch als Schröder gestern morgen über das Ergebnis der intimen Haushaltsgespräche informierte, war das dann Erstaunen groß: Nur ein knappes Drittel der seit Januar anvisierten Einsparsumme war da zusammengekommen. Einsparungen von insgesamt 750 Millionen Mark hätten die Einzelgespräche mit den Landesministerinnen und Landesministern erbracht, versicherte Schröder und sagte schon wegen dieser Summe „Heulen und Zähneklappern in der SPD- Landtagsfraktion“ voraus. Einzelposten aufschlüsseln konnte oder wollte der Ministerpräsident nicht. Trotzdem versprach er vollmundig, daß die Neuverschuldung des Landes nicht über den geplanten 3,1 Milliarden Mark liegen werde.

Dann rechnete Landesfinanzminister Hinrich Swieter den großen 1,6-Milliarden-Rest der für 1997 auf das Land zukommenden Haushaltslücke klein: Mindestens 300 Millionen würden durch einen niedrigen Tarifabschluß im öffentlichen Dienst eingespart. Weitere 500 Millionen hofft Swieter vom Bund zu erhalten, als Kompensation für die Ausfälle bei der Vermögens- und Erbschaftsteuer nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts.

Einige hundert Millionen Mark will Swieter noch aus dem laufenden Etat 1996 durch strenge Haushaltsführung herausquetschen, und ansonsten haben er und Schröder noch 18 Prüfaufträge beschlossen, die gesetzlich verbriefte Leistungen des Landes betreffen.

Gerhard Schröder hangelt sich nun schon seit Jahren von einer Sparrunde zur nächsten. Wenn der Haushalt nicht gerade wieder gesperrt ist, naht sicher die nächste Klausur der SPD-Fraktion oder des Landeskabinetts zum Sparen. Das strukturschwache Niedersachsen war noch nie mit Steuereinnahmen gesegnet. Doch durch die Neuregelung des Länderfinanzausgleichs im Zuge der deutschen Einheit hat es zusätzlich beinahe ein Zehntel seiner Einnahmen verloren. Der Bericht einerinterministeriellen Arbeitsgruppe sprach jüngst „von einer unabwendbaren Personalkosten-, Zins- und Schuldenfalle“, in der Niedersachsen stecke. Etwa 42 Prozent des Landesetats entfallen gegenwärtig auf Personalkosten, weitere 10 Prozent gehen für Zins und Schuldendienst drauf. Gut 13 Prozent der Ausgaben resultieren aus Leistungsgesetzen des Bundes, etwa den Landesanteilen an Bafög oder Wohngeld, und 12 Prozent seines Etats muß das Land an die Kommunen weitergeben. Überhaupt denkbar sind Kürzungen nur in einem Viertel des etwa 40 Milliarden Mark umfassenden Landesetats.

Langfristig kann dabei die Haushaltsmisere des Landes nur noch schlimmer werden: Ein Anstieg des Personalkostenanteils am Etat auf rund 50 Prozent ist etwa im oben genannten Bericht errechnet worden, allein durch die steigenden Aufwendungen für Pensionen und die Altersversorgung der übrigen öffentlich Bediensteten. Als Rezept dagegen empfahl die Arbeitsgruppe einen rigorosen langfristigen Personalabbau. 40.000 von heute 180.000 Stellen im Länderdienst sollen bis zum Jahr 2020 gestrichen werden, fordert der Bericht. Davon allein 25.000 bei den Ministerien für Kultur und Wissenschaft.

Der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion und Haushaltspolitiker Heinrich Aller hält den niedersächsischen Landeshaushalt „für von der Ausgabenseite her nicht mehr sanierbar“.

Auf der letzten Klausurtagung der SPD-Landtagsfraktion in Aurich machten die SPD-Landtagsabgeordneten gegen den Sanierungskurs des Ministerpräsidenten Front, forderten ihn auf, über sein Gewicht in der SPD doch endlich für höhere Einnahmen des Landes zu sorgen. Schröder tat dies als illusorisch ab und drohte, seinen Sparkurs per Richtlinienentscheid von oben fortzusetzen. Allerdings ist der einst in Niedersachsen unumstrittene SPD-Politiker nach seinen bundespolitischen Eskapaden nun auch bei den heimischen Genossen ins Kreuzfeuer der Kritik geraten. Auch daß er in Niedersachsen die Gespräche mit den Gewerkschaften über ein Bündnis für Arbeit auf Landesebene hat platzen lassen, nahm die SPD-Landtagsfraktion ihm übel. Auch das unerwartete milde Ergebnis der Sechs-Augen-Gespräche zum Landeshaushalt erklärt sich nur durch den Gegenwind aus den eigenen Reihen.

Die Haushaltsprobleme hat Gerhard Schröder allerdings nur aufgeschoben. Mindestens eine Milliarde Mark Kürzungen stehen Niedersachsen noch bevor. Die Prüfaufträge, die Schröder und sein Finanzminister erteilt haben, beziehen sich auf Leistungsgesetze wie etwa das Landes-Blindengeld. Außerdem wird über Kürzungen im Gesundheitswesen, etwa bei den Zuschüssen an die Unikliniken, bei der Heimerziehung, bei der psychiatrischen Versorgung und in der Altenpflege nachgedacht. Für vieles, was hier bisher das Land finanzierte, sollen später die Kommunen zuständig sein.