„Lieber schmal als gar nicht“

■ Duale Ausbildung: Verschiedene Diätvorschläge für das „weltweit beste“ Berufsausbildungssystem könnten ins Leere führen Von Stefanie Winter

Qualität und Quantität der dualen Berufsausbildung – so verkündete unlängst die Hamburger Wirtschaftsbehörde – sollen verbessert werden, und zwar möglichst zügig. Alljährlich finden rund 1500 Jugendliche keinen Ausbildungsplatz; die Jugendarbeitslosenquote in Hamburg ist mit knapp 16 Prozent bundesweit die zweithöchste – in den Ruf nach mehr Ausbildungsplätzen stimmen Arbeitsamt, Kammern und Gewerkschaften entsprechend einmütig ein. Über eine Sicherung der Ausbildungsqualität sind die Beteiligten hingegen uneins. Jede Seite, sagt Petra Heese, habe so ihre Argumente und Vorschläge. Die wenigsten, so die Jugendbildungsreferentin des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) in Hamburg, seien wirklich hilfreich. Und eine eventuelle Verbesserung der Quantität könnte letztlich erheblich zu Lasten der Qualität gehen.

Während die Gewerkschaften an der kombinierten Ausbildung in Betrieb und Berufsschule festhalten wollen, wird die Kritik der Betriebe immer lauter: Die praktische Ausbildung verkomme zunehmend zu einer Restgröße – meint auch die Handwerkskammer, die das duale System allerdings weiterhin für das „weltweit beste“ hält. Und durch die Arbeitszeitverkürzungen in den vergangenen Jahren habe sich das „Ungleichgewicht zwischen Schule und Betrieb“ noch verstärkt, erläutert der Sprecher der Wirtschaftsbehörde, Wolfgang Becker: „Die Meister beschweren sich dann, daß die Auszubildenden nie da sind.“

Durch „eine etwas andere Organisation“ solle das Ungleichgewicht beseitigt werden; an den zwölf Berufsschulstunden wöchentlich werde aber grundsätzlich festgehalten. Zusätzlich solle stärker nach Vorbildung und Leistungsstand differenziert werden; es müsse vereinbart werden, daß Ausbildung vor Übernahme steht. Nicht zuletzt müßten sich die Tarifparteien einigen, daß „angesichts der Kostenprobleme und des in der Vergangenheit überproportionalen Anstiegs bei den Ausbildungsvergütungen zukünftig allenfalls moderate Anpassungen möglich sind.“

Im Zusammenhang mit solch subtilen Sparideen verwundert ein Vorstoß des Hamburger Arbeitsamtschefs Olaf Koglin wenig: „Es ist viel besser, schmal als gar nicht ausgebildet zu werden“, erklärte er während einer Fachtagung. Den Einwand, daß gerade auf einem „angespannten“ Arbeitsmarkt Fachkräfte gesucht und „schmal“ Ausgebildete zuletzt vermittelbar seien, läßt Arbeitsamtssprecher Manfred Klostermann als „zu pauschal“ nicht gelten. Nicht jeder sei in der Lage, das „heute wirklich hohe Niveau“ der dualen Ausbildung zu erreichen.

Aufgrund fehlender Allgemeinbildung könne manch einer eben kein „potenter Auszubildender“ werden. Es sei besser, zumindest Teile eines Berufs zu erlernen. Und wiederum „viel zu pauschal“ sei es, zu befürchten, daß immer mehr Betriebe nachziehen könnten und zukünftig aus Kostengründen ganz übewiegend auf eine „Schmalspurausbildung“ setzten. Damit, meint Klostermann, schnitten sie sich schließlich ins eigene Fleisch.

Eine noch schmalere Version der Ausbildung war als Vorschlag im „Hamburger Bündnis für Arbeit“ aufgenommen worden: „Benachteiligten“ Jugendlichen, die keinen Ausbildungsplatz finden, sollen neben Berufsvorbereitungskursen Teilzeitpraktika in Betrieben angeboten werden. Die Kosten übernehmen Stadt und Arbeitsamt. Dieser Ansatz, meint die DGB-Referentin Heese, habe zwar „Haken und Ösen“. Er beinhalte aber auch „die Chance, einen Fuß in die Tür zu kriegen.“

Er birgt jedoch auch die Gefahr, daß Betriebe dann in Zukunft lieber auf „Gratis-Praktikanten“ zurückgreifen, als noch auf eigene Rechnung auszubilden. Allein im Bereich der Handelskammer – auf die knapp 60 Prozent der Lehrstellen in Hamburg entfallen – ging die Zahl der Ausbildungsplätze auch ohne „preiswerte“ Alternative während der vergangenen Jahre jeweils um zehn Prozent zurück. Um überhaupt Bewegung in den Arbeitsmarkt zu bringen, ist Heese dennoch überzeugt, müsse man den Mut haben, ein Risiko einzugehen. Die Gewerkschaft werde sorgfältig beobachten, ob trotz der Praktikanten die Bereitschaft bestehe, auszubilden. „Wenn Rückgänge verzeichnet werden, muß man reagieren“, sagt Heese – ohne ein dann wirksames Instrument nennen zu können.