piwik no script img

„Den Minen sind alle Passanten ausgewichen“

■ Interview zum internationalen Kongreß der Ärzte gegen Atomkrieg in Hamburg

Eine Kultur des Friedens forderten rund 90 Studierende aus zehn Ländern beim achten Europäischen Studierenden-Kongreß der Internationalen Ärzte zur Verhütung des Atomkrieges (IPPNW) gestern in Hamburg. Vier Tage lang ging es in Vorträgen und Workshops unter anderem um die Ächtung von Landminen, um Kriegsberichterstattung oder ethnische und religiöse Identität als Konfliktursache. Der Hamburger Medizinstudent Lars Pohlmeier, Mitorganisator des Kongresses, im taz-Interview.

taz: Was soll mit dem Kongreß erreicht werden?

Lars Pohlmeier: Wir wollen das Thema Friedens- und Konfliktforschung an die Universitäten holen und zeigen, daß Krieg und Frieden nicht nur eine Sache der Politiker ist.

Was können Medizinstudierende gegen Krieg tun?

Am aktivsten sind wir in dem Bereich „Kinder im Krieg“. Da gibt es Hilfsprojekte in Kriegsgebieten oder in Entwicklungsländern. Eines ist beispielsweise „Straßenkinder in Kenia“. Deutsche Studierende waren sechs Wochen in Slumgebieten eingesetzt. Andere Studierende betreuen Flüchtlinge in Deutschland. Oder wir haben englischsprachige Medizinbücher gesammelt und sie nach Bosnien-Herzegowina geschickt.

Es geht also um konkrete Hilfe für die Opfer?

Nicht nur. Als Mediziner vertreten wir ohnehin den Standpunkt, daß Prävention sinnvoller ist als zu heilen. Deshalb versuchen wir auch auf der politischen Ebene etwas zu verändern durch Öffentlichkeitsarbeit und Lobbyarbeit. Wir sehen mit Sorge, daß es eine Diskussion gibt über die Ausweitung militärischer Strukturen. Es wird suggeriert, daß nur militärische Strukturen in der Lage sind, Frieden zu sichern. Würde man Konflikte vorher erkennen, könnte man auch präventiv eingreifen.

Ihr habt eine Hamburger Erklärung verabschiedet. Was sind die Eckpunkte?

Wir fordern eine Kultur des Friedens. Wir glauben, den höchsten Punkt der Zivilisation erreicht zu haben und blicken dennoch auf ein Jahrhundert zurück, in dem mehr Menschen durch Kriege umgekommen sind als je zuvor. Auch der Nationalismus greift immer mehr um sich, der die Ausgrenzung und Unterdrückung Andersdenkender zum Ziel hat. Weil unserer Ansicht nach Militärs nicht den Frieden bringen können, fordern wir, daß zivile internationale Organisationen gestärkt werden sollen wie zum Beispiel die KSZE. Wir wollen auch, daß alle Atomwaffen abgeschafft werden. Außerdem sollte mehr Geld in zivile Projekte fließen. Die Weltgesundheitsorganisation zum Beispiel hat nur 0,5 Prozent des Weltrüstungsetats zur Verfügung. Dabei könnten bei besserer Finanzierung viele Krankheiten ausgerottet werden.

Ein aktuelles Thema der Konferenz sind auch die Landminen.

Wir fordern, daß sie abgeschafft werden. Dazu haben wir während der Tagung zusammen mit der Hilfsorganisation „medico international“ in der Hamburger Innenstadt einen Infostand aufgebaut, an dem eine Prothesenfigur stand, und Unterschriften und Spenden für Minenopfer gesammelt. Auf der Straße haben wir ein Minenfeld mit Attrappen und einem Plakat „Vorsicht Minen“ angelegt. Alle Passanten sind diesem Minenfeld ausgewichen. Fragen: Patricia Faller

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen