Sanssouci
: Vorschlag

■ Stein-Zeit: Fotos von Dieter Appelt in der Galerie Springer

Als konzeptuelles Medium ist die Fotografie dem Denken und Erinnern analog. Die Kamera als Dokument der Zeitlichkeit des Lebens – dies ist der ästhetische Rahmen, in dem das Werk von Dieter Appelt entsteht, der mit Schwarzweiß-Fotografien Erkundungen ins Innere der Dinge unternimmt, der archaisch-rituelle Versuchsanordnungen – unter Einbeziehung des eigenen Körpers – in urtümlicher Landschaft aufnimmt und in quasi dokumentarischer Reihung als meditative Tableaus vorführt. Dieter Appelt stellt in seiner neuesten Ausstellung in der Galerie Springer Fotografien, skulpturale und zeichnerische Werke vor, die sich auf Stein beziehen. Sasso heißt der italienische Ort, in dem die Aufnahmen gemacht wurden. Sasso bedeutet Stein. Aus nächster Nähe fotografiert, als Ausschnitt, der Größenverhältnisse aufhebt, bietet sich der Stein als chaotisch strukturierte, amorphe, von Schnitten, Rissen und Verwitterungsspuren zerfurchte Oberfläche dar. Stein als kondensierte Zeit. Stein als Todessymbol, dennoch vielgestaltig und unruhig. Sasso heißt auch die Skulptur, die Steine in einem hölzernen Gerüst zeigt, das sich ihren Umrissen anschmiegt und sie zu einer Gestalt formt, als sei es eine kauernde, eingeschlossene Figur.

„Platz der Steine“ ist der Titel des zweiten großen Tableaus aus seriell gereihten Fotos, deren eindringlich suggestive Wirkung wiederum von einem – nur geringfügig variierten – Bildmotiv herrührt. Man sieht die nackten Fußsohlen eines Mannes, die sich in eine aus Stäben geflochtene zweiteilige Konstruktion einfügen: eine Art primitives Holzschuhpaar, das Schutz bietet, indem es zugleich zwischen der Härte der gepreßten Bildmetapher für den steten Versuch des Menschen, Annäherung und Verschmelzung mit der Natur zu suchen, von der ihn sein Bewußtsein entfremdet hat, interagiert.

Der 1935 geborene Dieter Appelt, seit vielen Jahren Professor an der Hochschule der Künste, ist ein Magier der Fotografie. Erstaunlich, daß Kritiker ihm bei seiner jüngsten Ausstellungstournee durch Museen der USA eine narzißtisch-nationale Komponente in seinem Werk vorwarfen, wo ihn doch gerade überindividuelle und übergeschichtliche Reflexionen über die Bedingungen des menschlichen Seins interessieren. Michael Nungesser

Bis 18. Mai, Mo.-Fr. 14-19, Sa. 11-14 Uhr, Galerie Springer, Fasanenstraße 13, Charlottenburg, Katalog 10 DM.