Küche & Kunst, Müll & Dunst

„Küchengeister“, eine historisch-künstlerische Ausstellung über Berliner Küchen samt ökologischem Lehrpfad für Kinder und Begleitprogramm  ■ Von Ute Scheub

Auf jeder Party klumpt sich die Masse Mensch vorzugsweise in der Küche zusammen. Am runden Tisch in der Küche, an dem gesessen, gegessen, gebrüllt und Versöhnung gefeiert wird, sind schon unzählige Ideen entstanden. Die Feuerstelle Küche ist ein uralter mythologischer Ort der Kommunikation, aber auch ein Experimentierfeld für männliche Architekten, um die Ausbeutung der weiblichen Arbeitskraft technokratisch zu optimieren. „Küchengeister – Küche, Kunst, Müll & Dunst“, eine gestern in der Galerie am Körnerpark eröffnete Ausstellung des Kulturamtes Neukölln, nähert sich diesem Kulturphänomen auf sinnlich be-greifbare Weise an.

Links die Kunst, rechts der Dunst: Linkerhand sind neun Kunstobjekte ausgestellt, die sich AbsolventInnen der Hochschule der Künste einfielen ließen. Besonders eindrucksvoll in den Zeiten des Rinderwahnsinns: die traurigen Kuhaugen, die einem auf Video gebannt am Grunde eines brodelnden Kochtopfs entgegenblicken. Rechterhand sind fünf küchenschrankähnliche Gebilde aufgebaut, die die Entwicklungen der Küche dokumentieren.

Geschichte zum Anfassen: Wer die Schubladen aufzieht, findet dort alte Küchengeräte, wer durch die Gucklöcher schaut, sieht Brote in einem Backofen, wer an den Ketten zerrt, zieht Papp-Wasser aus einem Brunnen und lernt, daß sich der Wasserverbrauch pro Küche von 1850 bis heute von 40 Litern auf 140 Liter gesteigert hat. Die Lernorte dieses „ökologischen Lehrpfads“ seien bewußt in Kindeshöhe angebracht worden, so die Leiterin des Neuköllner Kulturamtes, damit sich die Ausstellung „zu einem Abenteuerspielplatz auf Zeit“ entwickeln könne.

Im 13. Jahrhundert, so erfahren wir an der ersten Station, sei die im wahrsten Sinn des Wortes brandgefährliche „schwarze Küche“ vorherrschend gewesen, deren rauchgeschwärzte Wände sich zu einem Loch im Dach verengten. Zum Verlies für das weibliche Geschlecht wurde die Küche aber erst in der Biedermeierzeit, als das „Käthchen von Heilbronn“ das neue Hausfrauenideal verkörperte: Und einsam waltet die züchtige Hausfrau.

August Bebel sann deshalb auf Frauenbefreiung durch die kalte Küche: „Nahrungszubereitung muß ebenso wissenschaftlich betrieben werden wie andere menschliche Tätigkeiten. Die Beseitigung der Privatküche wird für ungezählte Frauen eine Erlösung sein.“ Seine Mitstreiterin Lilly Braun propagierte die Errichtung von Wohnhäusern für etwa 50 Familien, die aus einer einzigen Großküche versorgt werden sollten. Doch die Idee wollte nicht zünden. Die Zentralküche in einem 1908 in Lichterfelde gebauten Haus funktionierte gerade mal zwei Jahre, dann hatten alle Wohnungen wieder Einzelküchen. Nachzulesen sind diese hübschen Details im Begleitband „Küchengeister“, geschrieben von den AusstellungsmacherInnen Lothar Binger und Susann Hellemann und in jeder Buchhandlung für 29,90 Mark zu haben.

Di bis So, 12 bis 18 Uhr, Aktionsangebote für Kinder und Schulklassen, Anmeldung unter Tel. 6809-2431. Jeden Samstag, 15 Uhr, Gesprächsrunden. Am 18. 5.: „Nahrung und Liebe“