■ Statistiker sagen Single-Rekordmarke voraus
: Frühstück ohne Fahrrad

„Die Deutschen sterben aus / Wie schade, schade, schade, schade / Komm, wir machen Liebe / Und schenken dem Kanzler ein Kind / Ein Kind für Helmut“, trugen FSK 1981 in abgehacktem Sprechgesang vor. Dieses Wave- Funkstück taugt auch heute als ironischer Kommentar zur Wirklichkeit – nicht nur, weil der Bursche, der damals Kanzler war und heute übrigens motzt, den deutschen Arbeitslosen gehe es viel zu gut, denselben Vornamen hat wie der, der den Job jetzt macht.

Die Befürchtung, die Deutschen stürben aus, wird weiterhin regelmäßig unter die Leute gebracht. Nicht immer kleiden die Jammernden ihre Prophezeiungen in billiges Pathos, einige von ihnen, das Statistische Bundesamt zum Beispiel, schüren die Panik auf subtile Weise.

Bis zum Jahr 2015, sagt die Behörde in einer kürzlich veröffentlichten Mitteilung voraus, steige die Zahl der „Alleinlebenden“ von jetzt 12,7 auf 14 Millionen Menschen, so daß dann 36,4 Prozent aller Haushalte von Singles geführt werden – „ein Rekord“. Parallel dazu, so die Statistiker weiter, sinke die Zahl der Haushalte mit drei und vier Personen um 1,7 bzw. gar um 1,8 Prozent.

Was sagt uns das: Daß es Hausbesitzern und Maklern nach der Jahrtausendwende noch besser gehen wird als heute? Daß, da Singles bekanntlich alle in skandalös großen Wohnungen leben, immer mehr Baugrund benötigt wird, was zu Lasten der Landschaft geht? Ja, und sonst? Man muß natürlich zwischen den Zeilen lesen, um zu verstehen, was das Statistische Bundesamt uns eintrichtern will: Die Bereitschaft der Deutschen, eine Familie zu gründen, wird immer geringer, der Single der Zukunft gibt sich nur noch dem Cybersex hin, anstatt sich fortzupflanzen, und überhaupt ist angesichts der drohenden Rekordmarke nicht abzusehen, wohin das alles noch führen soll.

Es fällt an dieser Mitteilung besonders auf, daß das Statistische Bundesamt alle Menschen, die einen Ein-Personen-Haushalt führen, „Alleinlebende“ nennt. Als ob jemand, der, womöglich aufgrund einschlägiger Erfahrungen, von einer Familie oder einer familienähnlichen Beziehung nichts hält, nur ein einsames, wenn nicht gar asoziales Wesen sein kann! Oft verhält es sich ja genau umgekehrt: Pärchen kapseln sich ab von der Außenwelt, während die sogenannten Alleinlebenden rege soziale Kontakte pflegen – eine Binsenweisheit, die nicht ins Weltbild der familienfreundlichen Statistiker paßt.

Wenn es so leicht ist, den staatlichen Institutionen angst zu machen, stellt sich natürlich die Frage: Was tun, damit wir 2015 noch mehr als 36,4 Prozent aller Haushalte führen? Erst einmal gilt es, sich jene Mitmenschen vorzuknöpfen, die vorgeben, es gut zu meinen mit den Singles, tatsächlich aber nur die stumpfesten Klischees festschreiben und uns das „Alleinleben“ madig machen wollen. Das sind vor allem die Veranstalter der berüchtigten „Fisch sucht Fahrrad“-Parties. Nicht zu unterschätzen sind auch die Programmacher jenes Filmtheaters, das bei mir um die Ecke sonntags um 11 Uhr „Single-Kino“ inklusive Frühstück anbietet. Vermutlich basiert diese Idee auf einer bombensicheren Studie, derzufolge sich Singles vorwiegend am Sonntagmorgen umbringen, getrieben vom Frust, allein frühstücken zu müssen. Ob die Untersuchung aus dem Statistischen Bundesamt stammt? René Martens