■ Liebesbriefe an einsame Orte künftig unerschwinglich?
: Gelbe Post und rote Zahlen

Ein Liebesbrief von einer einsamen Sanddüne zur Almhütte wird zur Luxusausgabe werden. Solches steht zu befürchten, wenn nicht bald definiert wird, was unter „flächendeckenden, angemessenen und ausreichenden Dienstleistungen“ im Bereich Postdienst zu verstehen ist. Denn: Weder Postschalter noch Postbote können in unwegsamen Gegenden bei den heutigen Portopreisen jemals kostendeckend arbeiten. Nach marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten müßten sie entweder sofort abgeschafft oder ihre Leistungen erheblich teurer werden.

Noch schützt das Postmonopol romantische Bekentnisse an schwer erreichbare Adressen vor exorbitant hohen Kosten: In der ganzen Republik kostet jeder normale Brief gleich viel. Doch das Monopol der Post wird bald fallen. Nicht nur EU-Vorgaben zwingen die Bundesregierung dazu. Der Alleinverteileranspruch der Post hat in den letzten Jahrzehnten auch zu einem insgesamt viel zu hohen Preisniveau für Briefe und Pakete geführt. Ein Umbau der trägen Behörde in ein Dienstleistungsunternehmen ist deshalb überfällig. Die Bilanzdaten vom letzten Jahr belegen denn auch, daß der permanente Griff der Post in die Steuerkasse keineswegs notwendig war: Erstmals erwirtschaftete die gelbe Post keine roten Zahlen. Der Grund dafür sind rationellere Strukturen aufgrund der jetzt drohenden Konkurrenz.

Nun kommt es darauf an, daß die Bundesregierung den „Infrastrukturauftrag“ so definiert, daß die erwähnten Liebesgrüße jeden Tag überall abgeholt und ausgetragen werden. Und auch der Preis sollte auf Hallig Hooge der gleiche sein wie in Hamburg – schon um die ländlichen Gegenden nicht weiter zu benachteiligen. Wer das garantiert und das billigste Angebot abgibt, sollte den Zuschlag erhalten. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß die Post als Siegerin aus dem Rennen hervorgehen wird. Aber bei einem offenen Kampf müßte sie sich weiter anstrengen — zur Freude der KundInnen.

Die noch weitaus härtere Konkurrenz für Post und andere Briefdienste aber lauert woanders: Schon heute können FaxbesitzerInnen in den Nachtstunden Pamphlete an acht Leute zum gleichen Preis versenden wie einen einzigen Brief. Nicht jeder Mitteilungsbedürftige wird aber ein Faxgerät sein eigen nennen. Und außerdem: Einen parfümierten Umschlag kann diese Mitteilungsform selbstverständlich nie ersetzen. Es lebe der Liebesbrief! Annette Jensen