Daimler: Alles aus einer Hand

Der größte deutsche Konzern bietet seinen Kunden Minen, Minenaufklärung und Räumung. Andere Firmen forschen an neuen Waffen  ■ Von Otfried Nassauer

Berlin (taz) – „Die Daimler Benz Aerospace AG war oder ist weder an der Entwicklung noch an der Fertigung von Landminen beteiligt.“ Vollmundig dementierte Andreas Breitsprecher, Leiter der Presse- und Informationsabteilung der Dasa, noch Anfang des Jahres die Wirklichkeit.

„Ein neues effektives Element des modernen Minenkrieges“ nennt die Firmenwerbung die Panzerabwehrrichtmine PARM-1. Herausgeber „Deutsche Aerospace AG – TDW Gesellschaft für verteidigungstechnische Wirksysteme“, Werk Schrobenhausen. Deutsche Aerospace, so hieß die Daimler-Benz Aerospace bis zum vergangenen Jahr.

Die Entwicklung und Herstellung von Landminen gehört schon lange zu den genuinen Geschäftstätigkeiten der Daimler-Tochter. 1995 hat die Dasa diesen Aufgabenbereich in ein Joint-venture mit dem französischen Rüstungskonzern Thomson-Brandt eingebracht: Die Thomson-Dasa-Wirksysteme (TDW) beziehungsweise Thomson-Dasa Armament (TDA).

Seit Anfang 1996 werden in Schrobenhausen zunächst 25.000 neue Panzerabwehrrichtminen für die Bundeswehr gebaut. Der Vertrag hat einen Wert von 122,2 Millionen Mark. Später könnte ein zweiter Auftrag für weitere 25.000 PARM-1 folgen. Damit ist das zum Daimler-Konzern gehörende Werk derzeit der einzige deutsche Minenfabrikant. Rheinmetall, Dynamit Nobel und Diehl forschen allerdings an neuen Systemen.

Die TDA-Minen, deren Beschaffung der Bundestag ursprünglich schon 1990 bewilligte, ergänzen die Bestände der Bundeswehr um eine neue Technologie. Die Panzerabwehrmine 1 ist vom Prinzip her eine unbemannte Panzerfaust. Sie wird von Hand verlegt. Sie dient zur Bekämpfung von Fahrzeugen auf Straßen, an Engstellen und wird für Schneisen durch Minenfelder eingesetzt. Ein 40 Meter langes, kaum sichtbares Lichtwellenleiterkabel wird quer zur Fahrtrichtung ausgelegt. Überrollt ein Fahrzeug das Kabel, so löst die Mine aus. Ein Panzerfaustgeschoß wird abgefeuert und durchschlägt selbst modernste Seitenpanzerungen. Der Explosionsdruck zerstört das Fahrzeug und tötet die Besatzung.

Mit Firmenmitteln hat die Dasa bereits ein viel leistungsstärkeres Nachfolgemodell entwickelt, die PARM-2. Hinzugefügt wurde ein aus Akustik- und Infrarotsensoren bestehendes Sensorpaket der Firma Honeywell. Bis zu 100 Meter Reichweite und die Fähigkeit, wahlweise erst das zweite, dritte, zehnte Zielfahrzeug anzugreifen, kennzeichnen das neue Modell. Als „automatisierte Panzerabwehr der Zukunft“ und Ersatz für Soldaten mit Panzerabwehrwaffen preist die Dasa ihre Neuentwicklung international an.

Doch Daimler verdient nicht nur an der Produktion von Minen, der Konzern ist auch bei der Beseitigung einmal verlegter Minen gut im Geschäft. „Das Problem ist akut“, beschreibt Dasa- Sprecher Andreas Breitsprecher die weltweit verminte Lage. Der Privatwirtschaft falle bei der Minenräumung „eine wesentliche Rolle“ zu. Minendetektion und Minenräumung sind für Dasa zukunftsträchtige Geschäftsfelder. Gleich zwei Tochterunternehmen bieten Minenräumdienste an: Die Entsorgungs- und Sanierungstechnik GmbH, E.S.T., erreichbar ebenfalls in Schrobenhausen, und die amerianische Dasa-Tochter Conventional Munition Systems in Florida. Letztere räumte mehr als 3.000 Quadratkilometer Kuwait von 325.000 Minen und tritt zugleich als Anbieter der Dasa-Minen in den USA auf.

In Kooperation mit dem Europäischen Mikrowellen Signatur Labor entwickeln das Daimler- Benz-Forschungsinstitut und der Dasa-Produktbereich Sensorsysteme in Ulm Radarsensoren, mit denen auch vergrabene Landminen aus dem Flugzeug heraus aufgespürt werden sollen. Forschungsmillionen versucht das Unternehmen dafür nicht nur im Bonner Verteidigungsministerium zu ergattern, sondern auch aus zivilen Titeln des Bundeshaushaltes und aus dem Minenräumbudget der Europäischen Union.

Gerät zur Zerstörung von Minen und Blindgängern gehört ebenfalls zur Produktpalette der Schrobenhausener Munitionsspezialisten. „Blindgänger sind ein Problem, das aufgrund des umfangreichen Einsatzes von Streuminen künftig noch bedeutender wird“, urteilt die Dasa. Man muß es wissen: Streuminen wurden von der Dasa bis 1994 für die Luftwaffe produziert, eine ganze Reihe verschiedener Streuminenbehälter für Flugzeuge kann ebenfalls angeboten werden. „Die verteidigungstechnische Industrie“, so Dasa- Sprecher Breitsprecher, sei „ein kompetenter Partner der Politik, um der Herausforderung Landminen zu begegnen“.