Muttermilch darf nicht von Kühen kommen

■ Lebensmittelkonzern Nutricia gibt das Projekt „Stier Herman“ auf

Amsterdam (taz) – Unter dem Druck der niederländischen Tierschutzbewegung will der Babynahrungsproduzent Nutricia die Finanzierung des Genexperimentes stoppen, das unter dem Namen „Stier Herman“ bekannt geworden ist: Die Firma „Gene Pharming“ experimentiert in der Nähe der Universitätsstadt Leiden seit Jahren mit Genmanipulationen an Rindern. Es gelang, dem Stier „Herman“ das menschliche Gen einzuplanzen, das für die Produktion des Muttermilcheiweißes Lactoferrine verantwortlich ist.

Um reine Wissenschaft ging es nie. Das NRC Handelsblad hat enthüllt, daß Nutricia heimlich Millionen in das ethisch umstrittene Projekt gesteckt hatte – Nutricia ist nach der Übernahme des deutschen Erzkonkurrenten Milupa auch in Deutschland einer der Branchengiganten.

Offizielles Ziel der Versuche sollte es sein, Krebs-, Aids- und anderen Kranken über eine preiswert im Kuhkörper zu produzierende Gesundheitsmilch zu helfen. Doch selbst der Biologe Herman de Boer, der das Projekt initiiert hatte, hält diese Gründe für vorgeschoben, und der Tierschutzbund hatte das Projekt von Anfang an kritisiert. Nutricia-Sprecher Klaas de Jong hält jedoch die Kampagne gegen seine Firma für „Terror und moralische Erpressung“. Es werde „suggeriert, daß wir die Lactoferrine in die normale Babynahrung einfügen wollten, das ist doch absolut verrückt“.

Aber der Tierschutzbund rechnet vor, daß Nutricia sein Geld nur zu diesem Zweck investiert haben könne. Tatsächlich hat Gene Pharming inzwischen mitgeteilt, daß Hermans weibliche Nachkommen Milch mit menschlichem Milcheiweiß abgeben. Eine zweite Zuchtlinie produziere sogar Milch, die mehr Human-Lactoferrine enthalte als das menschliche Original.

Nutricia will nun ein Jahr lang die Laboruntersuchungen stoppen und alle Seiten an einen Tisch holen. Auch der Tierschutzbund könne dabeisein, allerdings dürfe „der nicht mit Schlamm werfen“. Die Tierschützer hatten mit der Stiftung „Natur und Umwelt“ und dem Verbraucherbund Plakate mit heulenden Babys aufgehängt, darunter der Text: „Wie weit geht Nutricia?“

Noch immer wollen die drei Organisationen zum Boykott von Nutricia-Produkten aufrufen. Erst wenn man schwarz auf weiß eine Bestätigung habe, daß die Firma die Genexperimente nicht weiter unterstütze, werde der Boykott abgeblasen. Dem Stier Herman kann es egal sein – er wird noch diesen Sommer getötet. Ed van Zutphen