Zweifel an Selbstmord
■ Die Eltern des RAF-Mitgliedes Grams ziehen vor das Verfassungsgericht
Berlin (taz) – Die Eltern des RAF-Mitgliedes Wolfgang Grams, der am 27. Juni 1993 bei der desaströsen Polizeiaktion in Bad Kleinen erschossen wurde, haben gestern Beschwerde beim Karlsruher Bundesverfassungsgericht eingereicht. Die Anwälte der Familie warfen in Wiesbaden der Justiz vor, sie wolle offenbar die Aufklärung der tatsächlichen Todesumstände von Wolfgang Grams bei der Schießerei auf dem Bahnhof in Bad Kleinen um jeden Preis verhindern. Anlaß der Verfassungsbeschwerde ist ein Beschluß des Oberlandesgerichtes Rostock, das Ende März den Antrag der Eltern auf ein Klageerzwingungsverfahren gegen die an der Polizeiaaktion beteiligten Beamten der Grenzschutzsondereinheit GSG 9 als unbegründet verworfen hat.
Nach einem Abschlußbericht der Bundesregierung soll sich Wolfgang Grams im Verlauf der Schießerei auf dem Bahnhof mit einem Kopfschuß selbst getötet haben. Diese Auffassung vertritt auch die Staatsanwaltschaft. Die Eltern von Grams sind dagegen überzeugt, daß ihr Sohn in Bad Kleinen von einem GSG-9-Beamten vorsärtzlich erschossen wurde, nachdem er bereits wehrlos auf dem Boden lag. In der Verfassungsbeschwerde rügen die Anwälte „die Verletzung der Grundrechte auf Leben und körperliche Unversehrtheit und die Verletzung des Willkürverbotes“. Der Beschluß des OLG Rostock, eine Klage gegen die Polizeibeamten nicht zuzulassen, werde der erdrückenden Fülle der belastenden Indizien in keiner Weise gerecht.
Wie die Anwälte weiter kritisierten, habe das Oberlandesgericht in seiner Begründung eine völlig neue Theorie zum Tathergang aufgestellt, die „auf großes Erstaunen bei international renommierten Rechtsmedizinern“ gestoßen und von ihnen als vollkommen abwegig bezeichnet worden sei. Danach habe sich der bereits verletzte Grams „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit während des Sturzes auf die Gleise in suizidaler Absicht den Todesschuß beigebracht“. Die Staatsanwaltschaft war davon ausgegangen, daß er dies erst zwischen den Gleisen liegend getan hatte.
Bei dem mißglückten Polizeieinsatz in Bad Kleinen wurde auch der GSG-9-Beamte Michael Newrzella erschossen. Das RAF- Mitglied Birgit Hogefeld wurde verhaftet. Wolfgang Gast
