Eine Küche für 220 Mark

■ Preisgünstige Secondhand-Möbel wie neu. Mit derzeit 380 Beschäftigten geht ein Arbeitsförderungsbetrieb auf Kurs 249h

Die Pankower Rothenbachstraße ist noch ein Insidertip für sehr preiswertes Möbelkaufen. In dem kleinen provisorischen Verkaufsraum stehen eng an eng Stühle – das Stück für 8 Mark, Liegen à 50 Mark oder Küchen für 220 Mark. Auch die Couch für 120 Mark wird bald einen Kunden finden. Möbelrecycling ist das „Zauberwort“, sagt der Geschäftsführer der Gesellschaft für Industrie-Demontage und -sanierung (DES-CA), Jürgen Bieler. Angesichts von über vier Millionen Arbeitslosen in Deutschland werde die Nachfrage anwachsen, zeigte sich Jürgen Bieler zuversichtlich.

Bisher „warb“ sein Unternehmen, in dem derzeit 380 Arbeitnehmer mit Hilfe des Paragraphen 249h Arbeitsförderungsgesetz einen zeitweiligen Job gefunden haben, nur sporadisch per Handzettel in den Sozialämtern von Pankow und Weißensee oder in der Humboldt-Universität. Sozialhilfeempfänger, Studenten und Arbeitslose sind vor allem die Kunden für die wiederhergerichteten Möbelstücke, meint Bieler.

Rund 80 Frauen und Männer, zum Teil aus sehr artfremden Berufen, schaffen mit Geschick, Ausdauer und Können in der kleinen Werkstatt Einrichtungsgegenstände, die nicht nur auf den ersten Blick nicht als „altneu“ erscheinen. Probleme hat die Außenstelle Recycling der DES-CA mit dem regelmäßigen Nachschub, berichtet Bieler. Versuche, mit großen Möbelketten ins Gespräch zu kommen, scheiterten bisher, denn „wir sind kein Billigentsorger“, so der Geschäftsführer.

Die Möbel müßten „kostengünstig“ aufzuarbeiten sein, dürften also keinen „Gerümpelstatus“ haben. Da Bieler weiß, daß viele Berliner ihre Möbel vor einer Neuanschaffung schnell und unbürokratisch loswerden wollen, gibt es einen besonderen Firmen-Service. „Gut erhaltene Stücke“ werden nach vorheriger Besichtigung kostenlos aus der Wohnung abgeholt, sagt Bieler. Interessenten können sich unter 471 52 19 bei der Firma melden.

Der Geschäftsführer hat neben der Möbelrecycling-Strecke noch weitere 249h-Projekte im Bereich der Umweltsanierung. „Es ist tragisch, wieviel erfahrenes Arbeitspotential brachliegt“, betont er. Deshalb versucht der aus dem Osten stammende Unternehmer mit immer neuen Ideen weitere Förderobjekte für sich zu gewinnen.

Derzeit sind zum Beispiel 30 geförderte Beschäftigte bei der Demontage und Verschrottung von Produktionsanlagen bei Niles eingestellt, 60 bei der Sanierung und dem Abriß von Gebäuden beim Objekt Finowtal Chemische Werke in Brandenburg. Das derzeitige „Schmankerl“ der DES-CA, so Bieler, ist die Instandsetzung der Hohenzollern-Gruft im Berliner Dom. Hier soll wieder die alte Struktur der Gemäuer hergestellt werden, damit die 100 Särge der Großfamilie künftig zur Touristenattraktion werden.

Doch alle seine Bestrebungen, Arbeitslose vor allem über 45 Jahre einzustellen und zu qualifizieren, hängen von den „fließenden Finanzen“ ab. Gibt es keine Zuschüsse vom Bund und dem Land Berlin, sieht es düster aus. Das Haushaltsloch des Senats hat er bereits im vergangenen Jahr zu spüren bekommen.

Da 1995 weit weniger 249h-Projekte angeboten wurden, sank die Beschäftigtenzahl des zweiten Arbeitsmarktes von 500 auf 380 in seinem Unternehmen. Deshalb versucht der Geschäftsführer, beispielsweise Gerüstbauer auf dem zweiten Arbeitsmarkt auszubilden, um sie dann in seinem Unternehmen fest anzustellen. Wolfgang Schönwald/ADN