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Alle Köder reizen nicht

■ Königs Wusterhausen: Bereits am Tage sprachen alle Zeichen gegen Fusion

„Die tun die Brandenburger bloß wieder unterbuttern“, sagt der Angler am Nottekanal in Königs Wusterhausen. Er zieht seinen neongelben Köder durch das Wasser. Einen Hecht hat er heute morgen schon gefangen. Der hat ihn in den Finger gebissen.

So wie die Einheit eine Vereinnahmung war, befürchtet der 51jährige Ostberliner, werden die Brandenburger diesmal von den Berlinern vereinnahmt. Für ihn sind die enormen Berliner Schulden der Hauptgrund, der Fusion nicht zuzustimmen. Die würden den Brandenburgern aufgebrummt, meint er ungeachtet dessen, daß die Schuldenfrage im Fusionsvertrag anders geregelt ist. Wenn die Fusion in Brandenburg scheitert, so scheitert sie an einer Mischung aus Einheitsfrust, Politikverdrossenheit und Wut über den schleichenden Sozialabbau.

„Die Reichen werden immer reicher, und die Armen müssen sehen, wo sie bleiben.“ Seine Brandenburger Angelkumpanen seien auch gegen die Fusion. „Bloß nicht!“ sagen die. „Die Politiker sollen lieber darüber abstimmen lassen, ob die Wiedervereinigung rückgängig gemacht wird“, sagt der Arbeitslose.

„Durch die Fusion verbessert sich nichts“, schätzt ein älteres Ehepaar die Lage ein. „Wenn eine Berliner Firma nach hier draußen zieht, dann bringen die ihre Leute mit“, sagte die Frau. Auch das Ehepaar gruselt sich vor den Berliner Schulden und befürchtet, daß Berlin nach der Länderehe begünstigt wird.

Sie beobachten, wie zahlungskräftige Berliner nach Königs Wusterhausen ziehen und die Grundstückspreise hochtreiben. Die Gemeinde sei auf die Berliner Zuzügler als potente Steuerzahler geradezu erpicht und bevorzuge sie bei der Wohnungsvergabe. „Die Anti- fusionsstimmung hat nichts mit Berlin zu tun, wir sind nicht gegen die Berliner“, stellt die Frau fest.

Aber der Zeitpunkt für die Abstimmung sei „ungünstig“. Die Zumutungen der jüngsten Bonner Sparpläne empören sie, Arbeitsminister Blüm ist für sie ein rotes Tuch. „Was machen die eigentlich mit Deutschland?“ sagt sie entsetzt und resigniert zugleich.

Die Gruppe Bauarbeiter, die sich mittags im Grillimbiß Memory zu Bier und Schnaps treffen, sind ebenfalls erbitterte Fusionsgegner. Sie fürchten um ihre Arbeitsplätze. „Dann werden die Brandenburger Baustellen wie in Berlin von Ausländern überflutet“, sagt einer von ihnen. Daß Manfred Stolpe kurz vor der Abstimmung gesagt hat, daß jede Neinstimme ihm politisch schade, ist für ihn „Erpressung“. Die Runde hält sogar einen Wahlbetrug für denkbar.

Eine 28jährige Zahnarzthelferin und ihr 34jähriger Freund kommen gerade aus dem Wahllokal. Sie haben für die Fusion gestimmt. „Wir arbeiten beide in Berlin, da wäre es doch unsinnig, dagegen zu sein“, sagen sie. Als gebürtige Mecklenburgerin sehe sie das allerdings „rationaler“ als die Brandenburger. Es sei doch einfach unsinnig, daß Schönefelder Kinder nur wegen der Ländergrenzen nicht die näher gelegene Berliner Schule besuchen könnten. Dorothee Winden