Italiens Polit-Aufsteiger wird Minister

Der Exchefankläger Antonio di Pietro bekommt einen Posten im Kabinett und soll den öffentlichen Dienst reformieren. Nordstaatler basteln inzwischen an der Abspaltung von Rom  ■ Aus Rom Werner Raith

Die gute Nachricht zuerst: Italiens ehemaliger Chefankläger in Sachen Korruption, Antonio di Pietro, 46, wird Minister im Kabinett des Wahlsiegers Romano Prodi, und er wird den öffentlichen Dienst reformieren. Die schlechte: Danach wird alles noch komplizierter.

Witze wie diese machen die Runde, seit Italiens unbestritten populärster Polit-Aufsteiger sich am Wochenende zur Übernahme des Ministeriums für öffentliche Arbeiten bereit erklärt hat. Das Ressort gehört zu den wichtigsten, allerdings auch kuriosesten der italienischen Administration: Es bestimmt nicht nur über den öffentlichen Dienst und den Straßenbau, die Renovierung alter Palazzi und die Ausschreibung neuer Vorhaben. Es ist auch zuständig für die Höchstgeschwindigkeit auf Italiens Straßen und die Sicherheit des Schiefen Turms von Pisa. Zudem gehört es zu den skandalträchtigsten Ministerien der vergangenen Jahrzehnte. Mehrere ehemalige Minister dieses Ressorts stehen heute unter Anklage, vorwiegend wegen Unregelmäßigkeiten bei Auftragsvergaben.

Damit ist das Amt so recht nach dem Geschmack des unerschrockenen Robin Hood: Zwar soll er sich zuerst um das Innenministerium bemüht haben. Das reklamierten aber bereits andere Politiker aus der bei den jüngsten Wahlen siegreichen „Olivenbaum“- Koalition für sich. Außerdem machte sich di Pietro, nach einigem Nachdenken, wohl auch nicht allzu viel Hoffnungen auf Bewegung in diesem Ressort.

Auch das Justizministerium schien ihm bald nicht mehr so attraktiv – er hätte, im Falle von Denunzierungen, womöglich auch mal Inspektionen bei seinen früheren Kollegen in Mailand vornehmen müssen. Das Ministerium für Öffentliches dagegen reicht ihm als „gesamte Palette zur Betätigung seiner phantastischen Reformkraft“, wie ein Sprecher des designierten Ministerpräsdienten Romano Prodi schwärmte. Zudem befriedet die Übernahme dieses eher technischen und weniger politischen Amtes auch jene in der siegreichen Allianz, die dem Ex- staatsanwalt noch immer seine Abstinenz im Wahlkampf und die Ablehnung einer schlichten Wahlempfehlung verübeln und ihm kein „Schlüsselressort“ überlassen wollen. Ausdrücklich wird nun in der offiziellen Verlautbarung ein Brief di Pietros an Prodi zitiert, in dem er sich zu den vom designierten Regierungschef formulierten Punkten des Regierungsprogramms bekennt. Gleichzeitig betonen beide Seiten jedoch, daß es sich nicht um di Pietros Eintritt in eine Partei handelt, sondern ausschließlich um ein Engagement als „externer Technokrat“.

Die Genugtuung, die die Linke über den Zugewinn di Pietros zeigt, hat allerdings vorwiegend mit der Tatsache zu tun, daß der Mann damit nicht, wie befürchtet, eine eigene Formation gründet oder für eine Übernahme der „gemäßigten Rechten“ nach einem eventuellen Rückzug des Medienzaren Berlusconis antritt. Ob di Pietro die ihm gestellte Aufgabe einer Reform des öffentlichen Dienstes und vor allem der öffentlichen Dienstleistungsstrukturen schafft, bezweifeln indes auch viele seiner Fans.

Zu wenig Geld ist in der Staatskasse, um etwa eine moderne berufliche Ausbildung von Beamten aufzubauen oder die veralteten Amtsstuben zu modernisieren. „Es könnte bei der Wuseligkeit di Pietros, durchaus dazu kommen, daß sich zwar allerhand bewegt, am Ende aber nur Flickschusterei daraus wird“, bangt der angesehene Journalist Indro Montanelli, „und danach haben wir ein halbfertiges System, das sicher noch verwickelter wäre als das gegenwärtige“.

Möglicherweise aber wird die Reform des öffentlichen Dienstes, die Prodi derzeit gleich hinter dem Kampf gegen die Arbeitslosigkeit aufs Panier geschrieben hat, auch schon bald von einer wesentlich prekäreren Entwicklung verdrängt: Die bei den Wahlen höchst erfolgreiche Liga Nord betreibt mittlerweile mit aller Kraft die Abspaltung der oberitalienischen Regionen vom Gesamtstaat. Längst genügt vielen Mailändern, Piemontesen und Venetern der noch vor den Wahlen als erwünscht bezeichnete Föderalismus nicht mehr.

Liga-Chef Umberto Bossi tönte am Samstag auf einer Versammlung des von ihm vor einem Jahr ins Leben gerufenen „Po-Ebenen- Parlaments“ in Mantua, es sei „nun Zeit für die endgültige Zäsur: Brechen wir Italien in zwei Teile“. Selbst die noch amtierende Präsidentin des Abgeordnetenhauses, Irene Pivetti, tritt mittlerweile für eine derartige Sezession ein, allerdings mit dem – von Bossi bisher nicht anerkannten – ausdrücklichen Zusatz, diese müsse „friedlich und über die parlamentarischen Wege in Rom“ angestrebt werden.