Warten auf das irakische Öl

Die Pipeline vom Irak in die Türkei ist wieder instandgesetzt, aber das Tauziehen über Ölverkäufe geht weiter. Ein Stück der Röhre verläuft durch den kurdisch kontrollierten Nordirak  ■ Aus Dohuk Helen Feinberg

Langsam keuchen die klapprigen türkischen Laster die Schnellstraße zwischen dem nordirakischen Dohuk und dem an der Grenze zur Türkei gelegenen Zakho entlang, geneigt vom Gewicht des irakischen Diesels, das sie in improvisierten Zusatztanks transportieren.

Eine ländliche Idylle bildet dagegen die Seitenstraße, die nach Westen, nach Fish Khabur an der syrischen Grenze abzweigt. Nichts deutet darauf hin, daß hier in dem kurdischen Gebiet am Dreiländereck zwischen dem Irak, Syrien und der Türkei die wichtigste Lebensader des Irak verläuft: die Ölpipeline. Über sie soll nach der Aufhebung des Embargos das irakische Erdöl aus den Fördergebieten Basra, Kirkuk und Mosul wieder an den türkischen Mittelmeerhafen Yumurtalik gepumpt werden.

Die Natur hat sich in die kurdischen Nationalfarben gekleidet, gelb und rot schimmern die Blumen in der Frühlingssonne auf den saftig grünen Wiesen, gemächlich weiden einige Schaf- und Ziegenherden. Vor der Grenze ist es mit der Ruhe vorbei. In kurzen Abständen haben Wachen der irakisch-kurdischen Demokratischen Partei (KDP) Posten bezogen.

Unmittelbar neben der Pipelinegrenzstation bei Fish Khabur hat die Partei ein kleines Militärlager eingerichtet. „Nein, die Pipeline kann man nicht besichtigen“, erklärt ein jugendlicher Wächter. „Das Projekt hat viele Feinde“, erläutert Said Naif das umständliche Prozedere. Ohne es auszusprechen, ist klar, daß damit die türkisch-kurdische Arbeiterpartei PKK gemeint ist. Mit Anschlägen auf die Ölleitung jenseits der Grenze hat sie in den vergangenen Jahren versucht, die Wiederinbetriebnahme zu verhindern.

Nur 18 Kilometer der mehrere hundert Kilometer langen Pipeline verlaufen durch das kurdische Gebiet. Für die irakischen Kurden ist das der Trumpf in der Hand, um die Saddam-Regierung daran zu hindern, mit der UNO eine Übereinkunft zu erzielen, die ihre Interessen außer acht läßt. Mit Rücksicht auf den türkischen Bündnispartner, dessen regionale Wirtschaft ebenfalls durch das Embargo angeschlagen ist, war man seitens der USA nicht bereit, über die Ölfrage nur mit der Regierung in Bagdad zu verhandeln. Zudem bilden die Kurden ein wichtiges Unterpfand im Tauziehen zwischen Saddam Hussein und den USA. Unterdessen wurden die Verhandlungen über die Umsetzung der UN-Resolution 986 (siehe Kasten) zum zweiten Mal unterbrochen. Die strittigen Punkte betreffen vor allem die Verteilung der humanitären Güter. Während Bagdad die Kontrolle in Händen der Zentralregierung wissen will, besteht die UNO darauf, daß die Programme über ihre Unterorganisationen im kurdischen Norden abgewickelt werden.

Die Lebensmittelversorgung in den vom Regime beherrschten Gebieten ist seit langem katastrophal. „Saddam bleibt gar nichts anderes übrig, als das Abkommen zu unterzeichnen“, sagt Kerim K. aus Anbil. Kerim ist Kaufmann und bringt über Schmuggelwege Waren aus dem Iran nach Bagdad. Wann immer er Zeit findet, hört er die arabischen Programme der internationalen Nachrichtensender. Er wartet darauf, daß die Bekanntgabe von irakischen Ölverkäufen zu einem rapiden Dollarsturz führen wird. Dann könnte er endlich seine Verluste durch das fünfjährige Embargo ausgleichen.

Auch Frau Semia aus Suleimaniya wartet. Ihr Mann ist ein kleiner Angestellter, sein Gehalt reicht nicht einmal für den Lebensmittelbedarf einer Woche. Wenn die Verwandten im Ausland nicht ab und zu Geld schicken würden, hätte sie längst ihr Haus verkaufen müssen, um die Kinder zu ernähren. Frau Semia hofft, daß mit der Durchsetzung der UN-Resolution die Lebensmittelpreise wieder auf das Niveau vor dem Golfkrieg fallen. Damals kosteten 80 Kilogramm Reis das, was heute ein Kilo kostet.

Aber auch bei den UN- und internationalen Hilfsorganisationen wartet man. Die Programme werden derzeit nur noch auf Sparflamme durchgeführt. So reichen die Lebensmittelzuteilungen des World-Food-Programms nur noch bis August, für die Kirkuk-Vertriebenen kommt das Aus im Mai.

Dabei unterstellt die UN-Resolution eine humanitäre Notsituation, wie sie in den kurdischen Gebieten vor fünf Jahren gegeben war. Inzwischen aber hat sich die Situation durch die Wiederaufbauhilfe verändert. „Kurdistan braucht keine Nothilfe“, sagt Faruk Asad, der bei einer kurdischen Hilfsorganisation arbeitet. „Wir haben eine Zuckerfabrik. Wenn man die fehlenden Ersatzteile liefert, können wir den Zuckerbedarf selbst decken.“ Statt dessen wird mit den Verteilungen von Hilfsgütern nur ein Abhängigkeitsverhältnis fortgesetzt, wie es das Bagdader Regime seit Jahrzehnten praktiziert. „Aber solange das Embargo besteht, sind wir auf diese Hilfe angewiesen“, ergänzt der Ingenieur.