Mittwoch will Südafrikas Regierung die Verabschiedung einer neuen Verfassung feiern. Doch noch wird in Kapstadt gefeilscht. Zwei Jahre nach dem historischen Machtwechsel am Kap ist die Euphorie gewichen. Aus Johannesburg Kordula Doerfler

Südafrika in neuer Verfassung

Gäste aus aller Welt werden am Mittwoch in Kapstadt erwartet, wenn Südafrikas Präsident Nelson Mandela ein Staatsbankett gibt. Anlaß ist die Verabschiedung der neuen Verfassung des Landes. Kostenpunkt der Zeremonie: rund eine halbe Million Mark. Doch ob die Regierung tatsächlich etwas zu feiern haben wird an diesem Tag, ist nicht ganz sicher. Denn noch feilschen in Kapstadt die Chefunterhändler der Parteien um strittige Punkte (siehe dazu den Beitrag unten). Gegenüber stehen sich die beiden stärksten politischen Kräfte am Kap der Guten Hoffnung: die ehemalige Befreiungsbewegung Afrikanischer Nationalkongreß (ANC) und die vormals herrschende Nationale Partei (NP), die sich ihre Zustimmung zur Verfassung noch vorbehält. Beide Seiten stehen unter dem enormen Druck, die Verfassung zu einem Erfolg zu machen.

ANC und NP bilden seit zwei Jahren eine Koalitionsregierung der „Nationalen Einheit“. Der Dritte im Bunde, die Inkatha-Freiheitspartei (IFP) unter Innenminister Mangosuthu Buthelezi, wird der Abstimmung im Parlament allerdings fernbleiben. Vor über einem Jahr zogen sich deren Abgeordnete aus der Verfassunggebenden Versammlung zurück, weil sich der ANC nicht an die Abmachung gehalten hat, internationale Vermittler einzuschalten. Und damit sind die innenpolitischen Schwierigkeiten der Übergangszeit in Südafrika schon fast beschrieben.

Zwei Jahre nach dem Machtwechsel am Kap ist die Euphorie der Anfangszeit gewichen, und die Regierung zeichnet sich in den letzten Wochen durch eine deutsche Tugend aus: Aussitzen. Der ANC Mandelas übt nach allen Seiten den politischen Spagat und tut sich mitunter schwer, klare Positionen als Regierungspartei und eben nicht mehr als Befreiungsbewegung zu formulieren.

Mandela überrascht durch politische Alleingänge

Die Nationale Partei will von der Macht nicht lassen und muß sich zugleich als Opposition formieren, denn in der nächsten Regierung wird sie nicht mehr sitzen. Und der notorische Quertreiber aus KwaZulu/Natal, Innenminister Buthelezi, ist zwar durch ein unwichtiges Ressort kaltgestellt – die Polizei ist ihm nicht unterstellt. Er setzt aber in seiner Funktion als IFP-Chef alles daran, das politische Klima zu vergiften.

Die Probleme, mit denen Südafrikas Regierung sich konfrontiert sieht, sind enorm. Trotz aller positiven wirtschaftlichen Entwicklungen liegt die Arbeitslosigkeit bei immer noch über 40 Prozent, die sehnsüchtig erwarteten ausländischen Investoren lassen auf sich warten, und der Rand stürzt seit Wochen in den Keller. Zwar ist die politische Gewalt in fast allen Teilen des Landes nahezu gewichen, in KwaZulu/Natal entsteht derzeit jedoch ein neues Pulverfaß: Die Kriminalität nimmt scheinbar unaufhaltsam zu, und ein für Anfang dieses Jahres angekündigtes Aktionsprogramm des ANC läßt auf sich warten.

Noch immer ist Präsident Mandela das Idol der Versöhnung. Er gilt als Garant des friedlichen Transformationsprozesses. Er zeichnet sich jedoch gelegentlich durch überraschende Alleingänge aus, die hinterher nur mühsam zu korrigieren sind.

Der Kampf um die Nachfolge ist entschieden

Jüngstes Beispiel ist die Forderung des ANC, in KwaZulu/Natal die ersten freien Kommunalwahlen ein zweites Mal zu verschieben. Eine von Mandela eingesetzte Kommission hat in der vergangenen Woche fristgemäß einen Bericht abgeliefert, demzufolge Wahlen mit wenigen Ausnahmen durchaus möglich sind. Mandela mochte jedoch immer noch nicht entscheiden und will sich heute mit dem Kabinett und den Parteispitzen beraten – gut drei Wochen vor dem Wahltermin.

Eine in der vergangenen Woche veröffentlichte Meinungsumfrage weist den 77jährigen als den mit Abstand populärsten Politiker des Landes aus. Doch Gerüchte um seinen angeblich schlechten Gesundheitszustand ließen im März zum ersten Mal die Frage nach der Nachfolge laut werden. Der Präsident handelte in zweifacher Hinsicht: Er begab sich zu einem Gesundheitscheck in eine Johannesburger Privatklinik und sorgte durch eine Kabinettsumbildung dafür, daß ein innerparteilicher Machtkampf erst gar nicht entstehen kann. Anlaß war der zweite Rücktritt eines Finanzministers während seiner Amtszeit. Mandela löste dabei auch völlig überraschend das Vorzeigeprojekt des ANC, das Superministerium für das Programm für Wiederaufbau und Entwicklung (RDP), auf.

Eines der großen politischen Talente Südafrikas, ANC-Generalsekretär Cyril Ramaphosa, ging allerdings leer aus. Zu verdanken hat er das Vizepräsident Thabo Mbeki, der unauffällig, aber eisern den Kampf um die Nachfolge führt. Er ist nicht nur künftig für das RDP zuständig, sondern setzte auch durch, daß mit Trevor Manuel als neuem Finanzminister Ramaphosa außen vor blieb. Der Geschmähte reagierte prompt und nahm für die Zeit nach der Verfassungsverabschiedung einen hohen Posten in der Industrie an. Der innerparteiliche Machtkampf ist damit bereits entschieden – zumindest für die nächste Wahl 1999.