Berlin und Brandenburg bleiben Singles

■ Die Volksabstimmung über die Fusion ist an den Brandenburgern gescheitert. Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) räumt „schwere Niederlage“ ein und will über seine politische Zukunft reden. In Berlin stimmten 60 Prozent zu

Berlin (taz) – Nun will Brandenburgs Ministerpräsident Manfred Stolpe doch über seine politische Zukunft reden: Sichtlich enttäuscht räumte er nach dem gestrigen Scheitern der Volksabstimmung über die Fusion Berlins und Brandenburgs eine „schwere Niederlage“ ein. Denn kurz nach Schließen der Wahllokale war klar: Die Brandenburger wollen nicht mit den Berlinern vereinigt werden.

Nach Infas-Hochrechnungen in der ARD stimmten in Brandenburg 62,4 Prozent der WählerInnen gegen die Fusion; 36,6 Prozent der dort abgegebenen Stimmen waren Jastimmen, 2 Prozent waren ungültig. In Berlin stimmten 54,5 Prozent der Länderfusion zu, 45 Prozent stimmten mit Nein. Dabei kam ein deutlich gespaltenes Votum in Ost- und West-Berlin zustande: Im Ostteil der Stadt lehnte eine Mehrheit von 55,7 Prozent die Länderehe ab. Vor allem an den PDS-WählerInnen scheiterten die Fusionspläne: In beiden Ländern stimmten weniger als ein Viertel der PDS-Klientel mit Ja. Besonders hoch war die Zustimmung von jeweils über 64 Prozent bei der CDU-Wählerschaft; während die Berliner SPD-Anhängerschaft ähnlich für das Ja mobilisiert wurde, konnte Stolpe in Brandenburg nur 49 Prozent seiner Wähler für die Fusion begeistern.

Manfred Stolpe will nun in Bonn und Brandenburg über seine politische Zukunft reden. Er, der einen Rücktritt auch im Falle eines Scheiterns rigoros abgelehnt hatte, sagte, seine Partei müsse nun prüfen, ob er noch die nötige Zugkraft habe. Er übernahm die volle Verantwortung für das Scheitern der Fusion. Nun stünden die potentiellen Ehepartner vor einem „Scherbenhaufen“: „Damit sind viele mit der Einigung verbundene Vorhaben gefährdet.“ Berlins Regierender Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) diagnostizierte: „In Brandenburg sind die Vorbehalte gegen die alte Hauptstadt der DDR zu groß.“ Die Fusionspläne seien weder von der Politik noch von der Bevölkerung angenommen worden. Nun müßten alle Anstrengungen unternommen werden, um ein Gegeneinander der beiden Länder zu verhindern. „Berlin hat seine Pflicht erfüllt“, befand Klaus Landowsky, Vorsitzender der Berliner Landtagsfraktion der CDU, „ich hätte mir gewünscht, daß Brandenburg ähnlich wie Berlin abgestimmt hätte, zumal Brandenburg am meisten von einer Fusion profitiert hätte.“

PDS-Bundeschef Lothar Bisky, dessen Partei die Fusion ablehnte, wertet das Abstimmungsergebnis als „Sieg der Vernunft“: Die Regierungen hätten die Stimmungen in der Bevölkerung falsch eingeschätzt. Jetzt müsse vernünftige Politik durch die Zusammenarbeit beider Länder gemischt werden.

Die brandenburgische Sozialministerin Regine Hildebrandt sagte in Glienicke, sie sei vom Ergebnis enttäuscht, doch „bricht ja nicht die Welt zusammen“. Die beiden Länder hätten ja auch bisher nebeneinander gelebt. Die Menschen in Brandenburg seien der vielen Veränderungen einfach überdrüssig gewesen.

Bis gestern abend sollte der Ausgang der Volksabstimmung keine unmittelbaren Auswirkungen auf die politische Karriere von Stolpe und Diepgen haben. Bereits vor der Abstimmung hatten sowohl Stolpe wie Diepgen angekündigt, auch bei einem Scheitern der Fusion im Amt bleiben zu wollen: „Weglaufen gilt nicht.“ Diepgen sieht sich sogar als Gewinner, hat doch in Berlin eine Mehrheit für die Länderehe gestimmt.

Eine Wiederholung der Volksabstimmung wird es aller Wahrscheinlichkeit nach nicht geben. Zumindest glauben beide Regierungschefs nicht an einen zweiten Anlauf. „Ich bin ganz sicher, daß das auf viele, viele Jahre nicht zu wiederholen ist“, sagte Stolpe. Berlin und Brandenburg würden nun zunächst nebeneinander und „am Ende gegeneinander“ arbeiten. Diepgen befürchtete, daß nun „viele Ziele nicht mehr zu erreichen sind“. So werde der Speckgürtel von Berlin weiter zersiedelt.

skai/Dirk Wildt Seite 2