Nüchterner Riß

■ Premiere von Fassbinders Erstling „Nur eine Scheibe Brot“ in der Basilika

Bereits 1966, während seiner Schauspielausbildung, schrieb der Mann mit der talgigen Haut und dem Sex-Appeal für beiderlei Geschlecht Nur eine Scheibe Brot. Rainer Werner Fassbinder erzählte hier die Geschichte eines Regisseurs, der einen Spielfilm über das Konzentrationslager Auschwitz dreht, und die Probleme, die das mit sich bringt. Gunnar Dreßler hat Fassbinders Erstling jetzt für sein Theater in der Basilika inszeniert.

Zwei mit gelbem Stern Stigmatisierte sitzen da vor einer Holzwand. Hungrig-hektisch löffeln sie ihre Blechnäpfe aus. Langsam schiebt sich eine Kamera samt Stab von links auf die Szene. Abbruch. Der Regisseur Hans Fricke (Frank Jacobsen) ist nicht zufrieden. Die Szene wird neu gedreht, doch noch vor Schluß geht Hans wortlos ab.

Die Skrupel und Probleme, in die Regisseur Hans verstrickt ist, verleiten in ihrer Komplexität Dreßler leider zu zu großer Nüchternheit. Hans Zweifel an der Umgehensweise mit dem Thema Auschwitz, seine krieselnde Beziehung mit Hanna (Meike Britt Holtin), seine sexuelle Hingezogenheit zu einem jungen Darsteller – die Bandbreite Fassbinderscher Themen hätten auch in der Inszenierung mehr nach der Radikalität des Autors verlangt. Denn das Erstlingsstück zeigt bereits seinen ganzen Haß gegenüber der buckelnden Bourgeoisie sowie seine persönliche Auseinandersetzung mit Sexualität und Katholizismus.

Im Zentrum des Textes aber steht vor allem sein Argument gegen eine kalkulierte fiktionale Darstellung der Shoah am Beispiel des Hans. Dieser glaubt eigentlich, daß eine Darstellung niemals die ganze grausame Wahrheit transportieren könne. Wenn er auch kein mystifizierendes Bilderverbot fordert, so „ist es doch letztlich eine Anmaßung zu sagen, man habe den nötigen Ernst,...“, läßt Fassbinder Hans begründend sagen.

Trotz dieser Bedenken macht er den Film zu Ende. Im Marketingdeutsch seines Produzenten (Erik Schäffler) beschreibt das Produkt am Ende ein „schockierendes und erbarmungsloses Schicksal im Banne dunkler Mächte“.

Fassbinder beschreibt also den zynischen Umstand, wie mit dem Holocaust noch Filmpreise zu gewinnen sind. Dieses Zentrum findet die Inszenierung Dreßlers in der Aneinanderreihung der zehn Szenen leider nur begrenzt. Vielmehr läßt er die Schauspieler ihre Verwirrung der Gefühle eher verhalten ausdrücken. Das Drama des zerrissenen Menschen tritt aber dadurch nicht deutlicher zutage. Vielmehr läge in der verstärkt grotesken Auslegung eine Kraft, die eben nicht nur Fassbinder gerechter würde.

Britt-Kristin Feldmann