Vom Beffchen spricht keiner

■ Die Bremische Evangelische Kirche präsentiert das „Bremer Pfarrerbuch“: Viel Datengeschütztes, kaum Anekdoten über diejenigen, die hier „Pastor“ heißen

Und wieder hat Bremen nun das, was es schon überall gibt, endlich auch: das Pfarrerbuch. Ein Projekt, das seit seiner gedanklichen Entstehung (1945) hierzulande so einige engagierte Kirchenmänner hat sterben sehen. Hartwig Ammann, Pastor im Ruhestand, hat es überlebt und vollendet: Ab heute sind 1.063 Pastoren der Bremer Evangelischen Kirche von der Reformation bis 1988 in Kurzbiographieform im Handel. Weinrot, im Hardcover, 235 Seiten, 77 Köpfe.

Der Rest sind Daten in Schlagwort- und Zeichensprache, hier die Rubriken: * (geboren), E (Eltern), U (Universitäten), Az (akademische Auszeichnungen), oo (verheiratet, nein = nachweislich nicht), Kdr (Kinder, x = Anzahl nicht feststellbar, nein = nachweislich keine), S (Söhne), T (Töchter), EM/em (emeritiert bzw. „resigniert“), + (verstorben), DS (Datenschutz).

Das Bremer Pfarrbuch jedoch ist im Prinzip ein „H“-Buch. H für besondere Hinweise. Dank H erfahren wir, daß Jacob Probst ein Lutherfreund und Erasmusschüler war und am 24.3.1532 die erste evangelische Predigt im noch katholischen Dom hielt. H verrät außerdem, daß der Großvater von Johann Melchior Kohlmann (1795-1864) Bauer in Wasserhorst war. Und H erinnert uns außerdem noch einmal daran, daß es der Bremer Joachim Neander war, der uns im 17. Jahrhundert das berühmte Kirchenlied „Lobe den Herren“ vermachte – woran uns resp. die Redaktion die Glöckchen von Sankt-Martini mehrmals täglich gemahnen (wir berichteten).

Es geht also ums Spektakuläre im Verborgenen, vielleicht auch um das Verbergen des Spektakulären oder in den Worten von Autor Hartwig Ammann: „Ich mußte Bohrlöcher stopfen.“ Denn das Bremer Pfarrbuch hat zwar durchaus Spannendes zu bieten ( „Baring, Francius I, ertrank 1627 auf der Flucht vor kaiserl. Plünderern in der Wümme“), hört jedoch genau da auf, wo es interessant werden könnte. Baring, Franz II, wird im Buch noch Vizekönig von Indien, ein Hinweis auf die Zusammenhänge zur Baring-Bank-Affaire aber bleibt aus.

Den Bremer Kirchenmännern geht es halt doch auch ein bißchen um das Renommé, sowohl im Buch als auch bei dessen Präsentation. Das Schicksal von durchaus „hitlerfeindlichen und judenfreundlichen“ Kollegen wollte gestern unbedingt erwähnt sein. Der Mut eines Borgfelder Pfarrers, sich dem Volksempfänger zu verweigern. Bernhard Dräseke, geistlicher Beistand der „Giftmörderin“ Geesche Gottfried ward hervorgehoben. Die Aufmüpfigen der Bekennenden Kirche. Und natürlich Heinrich von Zütphen (im Buch unter „Heinrich“, aus Zütphen), der Anfang des 16. Jhdts. die „Zündfunken der befreienden Reformation“ ins calvinistische Bremen im lutherischen Meer brachte und in Dithmarschen predigen sollte. „Das war eine Finte“ (Ammann), Heinrich wurde hingerichtet, starb als Märtyrer.

Ja, und auch „datenschutzmäßig ist alles bedacht“ (so Ammann) im neuen Bremer Pfarrerbuch. („Pfarrer“ sagt hier niemand, aber so steht es im Kirchengesetz geschrieben, und man hält sich daran.) Autor Hartwig Ammann hielt sich außerdem daran, das Schicksal der Kollegen nur aus gesicherten Quellen zusammenzutragen, Kirchen- und Staats-Archive, Unis und aufgespürte Angehörige. Wer also mehr lesen möchte als etwa Nr. 594, Meier, Johannes I, Az D.theol. DO 1609-1618 (+) Oberneuland, oo N.N., Kdr ja (S 1), + vor dem 25.22.1618, muß die Bremer Kirchengeschichte dazulegen. Oder noch lebende Kirchenmänner weg von den Daten zur Prosa bringen. Diese sind nachweislich voller Anekdoten und wissen womöglich, welche Pastoren denn wirklich rausgeworfen und vertrieben wurden. Wie gegen die unliebsamen, lutherisch gewordenen Erzbischöfe rebelliert wurde. Und sie können prompt das „Beffchen“ um den Hals von o.g. Joachim Neander erklären Das muß z.Zt. noch anderswo nachgeschlagen werden. sip

Bremer Pfarrerbuch, Bd 2: Die Pastoren. Verlag H.M. Hausschild. 48 Mark. (Bereits erschienen Band 1: Die Gemeinden)