Ohne Olaf wären sie blöd

Olympia ist für die deutschen Volleyballer passé, geweint wird nicht: „Das Team hat Reserven“, sagt Trainer Kortmann – und macht weiter  ■ Aus München Nina Klöckner

Die weiße Kugel flog noch eifrig übers Netz, da wurde es bereits wieder unruhig an der roten Absperrung. Mit Stift und Block oder T-Shirt bestückt, pirschten sich zahlreiche junge Menschen so nah wie irgendmöglich ans Spielfeld, um keinem ihrer Lieblinge die Chance zu geben, unbemerkt davonzuschleichen. Auch am letzten Tag der Olympiaqualifikation war das persönliche Gekritzel der deutschen Volleyballer begehrt, wie schon lange nicht mehr. Dabei hatten sie tags zuvor alles verspielt, 0:3 verloren gegen das jugoslawische Team, an den Olympischen Spielen werden die Athleten folglich nur als aktive Fernsehzuschauer teilnehmen.

Doch das ist kein Grund für die deutschen Pritscher, aufzugeben und Pessimismus zu verbreiten. Und nicht nur das hat sich geändert, seit Trainer Olaf Kortmann vor einem Jahr ein marodes und lustloses Team übernommen hat.

Zunächst hatte er der Mannschaft eine andere Charakteristik verpaßt. Ein paar brave, angepaßte Spieler wurden aussortiert, dafür ward unter heftigem Gemurmel der Szene der ein oder andere Rebell in die Halle zurückgelockt. „Mehr Typen“ wollte Kortmann aufs Parkett schicken, die müssen allerdings auch richtig „wollen und beißen“. Bestes Beispiel: Georg Grozer (31). Überall ist der begnadete Angreifer in den letzten Jahren eigentlich angeeckt. Kortmanns Vorgänger Igor Prfielozny hatte ihn aus disziplinarischen Gründen vor vier Jahren ganz aus der Mannschaft geschubst, dabei hätte er ihn sportlich ziemlich gut brauchen können. Und auch im Verein gab es mit dem Hitzkopf immer wieder Schwierigkeiten. Kurz vor den Play-offs suspendierte ihn der Moerser SC: Zu oft war Grozer mit Trainer und Mitspielern lautstark aneinandergeraten.

Kortmann jedenfalls scheint eine Sprache zu sprechen, die Grozer versteht. In München verhielt er sich vorbildlich, ackerte und wühlte, bis auch der letzte Zentimeter seines Trikots schweißnaß war. Doch den Traum von Olympia konnte auch er sich nicht erfüllen. Australien und China wurden zwar leichtfüßig niedergerungen, doch gegen die Jugoslawen reichten auch Grozers wuchtige Angriffsschläge nicht. Zu geschickt vermochten die Gegner am Netz zu kombinieren, so daß den deutschen Blockspieler oft nur noch die Möglichkeit blieb, fasziniert dem Treiben auf der Gegenseite zuzusehen. „Eine große Chance ist vorbei. Das wirft uns weit zurück“, sagte Zuspieler Matthias Häberlein nach dem Spiel. Doch sobald der erste Frust verflogen war, hörte sich die Analyse schon anders an. Gegen ein sehr starkes Team habe man verloren, sagte Mannschaftsführer Wolfgang Kuck: „Aber nicht weil wir so schlecht gespielt haben, sondern die Jugoslawen so gut“. Und auch Kortmann richtete den Blick schnell wieder nach vorne. Der Schritt zur Weltklasse sei sicher noch groß, doch der Bundestrainer will genau gehört haben, wie seine Athleten dort schon mal vorsichtig angeklopft haben. Das haben auch die Zuschauer gemerkt. 14.000 Menschen tummelten sich an den drei Tagen in der Münchner Olympiahalle. Das sind Dimensionen, von denen Volleyballer sonst nur träumen.

Doch im Sommer müssen sich Kortmanns Männer erst mal wieder mit der Statistenrolle zufrieden geben. Das Frauen- und die beiden Beach-Teams düsen nach Atlanta, im Fernsehen wird man zahlreiche ihrer Auftritte live verfolgen können. Die Männer werden hierzulande ein paar Turnierchen spielen, damit sie nicht volkommen in Vergessenheit geraten. Nächster Höhepunkt ist erst wieder die EM- Qualifikation 1997.

Er selbst sei auch sehr gespannt, „wohin es mit dem deutschen Männervolleyball in den nächsten zwei Jahren gehen wird“, sagte Kortmann. Möglichst bald soll mit den Spielern verhandelt werden, ein paar werden ihre internationale Karriere wohl aus beruflichen oder körperlichen Gründen beenden. Doch die meisten haben ihre weitere Bereitschaft schon signalisiert, zudem will Kortmann im Sommer mehr Zeit darauf verwenden, „junge, talentierte Spieler an die Nationalmannschaft heranzuführen“. Allerdings drängen sich da aus den Bundesligavereinen nicht gerade viele auf. Noch schwieriger dürfte die finanzielle Lage zu klären sein, denn durch die verpaßte Qualifkation entgeht den Männern auch ein großer Batzen Geld. Vorerst müssen sie hoffen, auch an dem Pott beteiligt zu werden, den die drei Olympia-Mannschaften füllen werden. Doch Kortmann bleibt optimistisch und selbstbewußt. Als Lohn soll sein Vertrag verlängert werden: „Die wären schön blöd, wenn sie mich entlassen würden.“ Wie er die Schwächen seiner Mannschaft beheben will in den nächsten Monaten? „Meine Mannschaft hat keine Schwächen“, sagte Kortmann zum Abschied gewohnt forsch, „sie hat nur noch viele Reserven“. Kapiert?