: Ehemänner behalten Sonderrechte
■ Im reformierten Sexualstrafrecht bleibt die Widerspruchsklausel zur Vergewaltigung in der Ehe erhalten
Berlin (taz) – „Das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung ist unteilbar“, leitete Sabine Leutheusser- Schnarrenberger 1995 als Justizministerin ihren Vorstoß für eine Sexualstrafrechtsreform ein. Noch ein Jahr lang feilten Union und Liberale an Formulierungen – und einigten sich schließlich. Übermorgen soll ein Gesetzentwurf den Bundestag passieren, der auch Vergewaltigung in der Ehe unter Strafe stellt.
„Im Prinzip“, so die Kieler Strafrechtsprofessorin Monika Frommel, „wird endlich realpolitisch umgesetzt, was die Frauenbewegung seit mehr als zwanzig Jahren fordert.“ Denn neben der Vergewaltigung im Ehebett gilt künftig nicht nur der „erzwungene Beischlaf“ als Vergewaltigung. Auch anale oder orale sexuelle Gewalt oder Penetration der Vagina mit einem Gegenstand werden als Vergewaltigung geahndet. Dem Täter droht eine Haftstrafe nicht unter zwei Jahren, wenn er „sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere, wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind.“ Bisher wurden anale und orale sexuelle Handlungen lediglich als „sexuelle Nötigung“ angesehen. Zudem geht das neue Sexualstrafrecht erstmals davon aus, daß auch Männer Opfer sexueller Gewalt werden können. Die Formulierungen in den Paragraphen 177 und 179 sind – anders als bisher – geschlechtsneutral.
Außerdem soll der Gewaltbegriff weiter gefaßt werden. Die bisherige Rechtslage ließ eine sehr täterfreundliche Auslegung zu. Setzte sich eine Frau nicht eindeutig zur Wehr, wurde ihr häufig unterstellt, sie habe dem Täter Zustimmung signalisiert. Künftig, so meint Monika Frommel, habe die Rechtsprechung weit mehr Spielraum. So wird im neuen Paragraphen 177 hervorgehoben, daß das Opfer dem Täter auch „schutzlos ausgeliefert“ sein kann, so daß Gegenwehr einfach nicht möglich ist.
Strittig war bis zuletzt die sogenannte „Widerspruchsklausel“, nach der eine Ehefrau die Anzeige gegen ihren Gatten zurückziehen oder unwirksam machen kann. Bei dem nun vorliegenden Gesetzentwurf hat man sich auf einen Kompromiß geeinigt: Danach muß die Frau „persönlich“ Widerspruch gegen den Prozeß einlegen. Staatsanwalt oder Richter sollen in einem Gespräch klären, ob sie den Widerspruch unter dem Druck des Ehemannes einlegt oder freiwillig. Sei die Frau „besonders demütigend“, mit brutalen Mißhandlungen und eventuell sogar vor Dritten vergewaltigt worden, so läge in jedem Fall ein öffentliches Interesse an weiterer Strafverfolgung vor, erklärt der Vorsitzende des Rechtsausschusses, Horst Eylmann (CDU).
Liegt kein „besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung“ vor, so stellt die Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen ein. Im Interesse der Ehe kommt es zu keinem Prozeß. Begründet wird die Widerspruchsklausel mit dem besonderen Schutz der Ehe – immerhin könnten sich die Ehepartner ja trotz aller sexueller Gewalt wieder versöhnen. Der Deutsche Juristinnenbund sieht das anders. „Das vorgesehene Widerspruchsrecht schafft, statt der überfälligen Gleichbehandlung von Ehefrauen und Nichtehefrauen, doch wieder Sonderrechte“, erklärte die Vorsitzende des Bundes, Ursula Raue gestern: „Nämlich Sonderrechte für gewalttätige Ehemänner.“ Karin Flothmann
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen