Die Volksabstimmung über die Länderfusion ist am klaren Nein (62,7 Prozent) der Brandenburger gescheitert. In Berlin gab es eine knappe Mehrheit (53,4) für die Vereinigung. Augenfällig ist die klare Ablehnung der jungen Generation beider Lä

Die Volksabstimmung über die Länderfusion ist am klaren Nein (62,7 Prozent) der Brandenburger gescheitert. In Berlin gab es eine knappe Mehrheit (53,4) für die Vereinigung. Augenfällig ist die klare Ablehnung der jungen Generation beider Länder.

Jugend vereint gegen Vereinigung

Die Neugliederung der Republik ist offensichtlich nur mit ganz besonderen Bundesländern möglich: Ihre Bevölkerungen müssen nicht nur den Parteien der Altbundesrepublik die Stange halten, sondern auch alt sein, in Lohn und Brot stehen und sich geographisch nicht an den Rand gedrückt fühlen. Am Tag nach der Volksabstimmung in Berlin und Brandenburg ist nämlich klar, daß die Fusion beider Länder nicht nur an den Widerständen der PDS-Anhänger, sondern über Landesgrenzen hinweg vor allem am Veto der jüngeren Generation gescheitert ist. Und an den Randgemeinden Brandenburgs.

Die gestern etwa von der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung aufgestellte Behauptung, die „Gräben zwischen Ost und West“ seien jetzt schwerer zuzuschütten, trifft den Kern nicht. Denn auch wenn nur Westberlin eine Mehrheit für die Länderehe zustande brachte und die Brandenburger sogar mit knapp zwei Dritteln der Hochzeit eine Absage erteilten, läßt sich ein eigentlicher Ost-West-Konflikt nicht ausmachen. Von der Tendenz her wächst sogar zusammen, was zusammengehört. Denn die Zustimmung zur Fusion ist in Brandenburg umso größer, je näher die insgesamt 14 Landkreise der Metropole sind.

Gegen die These „Mark gegen Metropole“ spricht auch, daß ein erkennbarer Zusammenhang zwischen Fusionsskeptikern und PDS- Wählern in Brandenburg nicht auszumachen ist – mal abgesehen von der Landeshauptstadt Potsdam und Frankfurt an der Oder. Aber nicht nur, daß auffälligerweise mit der Ferne vom Zentrum die Fusionsskepsis zunimmt. Auch und vor allem die Jugend ließ „Landesvater“ Manfred Stolpe (SPD) und den Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) im Stich. Von den unter 30jährigen haben in Brandenburg 82 Prozent und in Berlin 61 Prozent eine Länderneugliederung abgelehnt, hat die Forschungsgruppe Wahlen festgestellt. In keiner anderen Altersgruppe war die Ablehnung so hoch. Bei den über 60jährigen waren die Fusionsgegner – wieder über alle alten und neuen Grenzen hinweg – überall in der Minderheit.

In Berlin gibt es eindeutigere Zusammenhänge zwischen Wahlverhalten, Alter, Beschäftigungsgrad und Parteizugehörigkeit als in Brandenburg. Auch wenn alle zwölf Bezirke im Westteil mit knapp 55 Prozent mehrheitlich für und zehn von elf Bezirken im Ostteil mit knapp 45 Prozent gegen die Neugliederung stimmten, bleiben wenig Indizien für einen Ost-WestKonflikt.

Zwar gibt es im Gegensatz zu Brandenburg einen deutlicheren Zusammenhang zwischen PDS- Hochburgen und Fusionsgegnerschaft. In den Ostberliner Bezirken Marzahn, Hohenschönhausen und Hellersdorf kam das Nein zur Länderehe auffällig häufig. Die Enttäuschung über die deutsche Vereinigung kann hier allerdings kaum ein Grund für die Ablehnung sein: In den drei Plattenbaugebieten ist die Arbeitslosenquote wesentlich niedriger als anderswo in Ostdeutschland und sogar niedriger als in manchem Westbezirk.

Sollten einmal Länder wie Hamburg, Bremen oder das Saarland eine Vereinigung mit ihren Nachbarn wollen, müßten deren Ministerpräsidenten sehr genau überlegen, wie sie die Jugend für „die Zukunft“ gewinnen wollen. Nicht, daß sie sich später dasselbe anhören müssen wie der Brandenburger Regierungschef im Potsdamer Radiosender „Fritz“. „Ob die Abstimmung Stolpe schadet, ist mir doch scheißegal“, sagte ein 20jähriger Jugendlicher, der wie fast alle seine Altersgenossen gegen die Fusion gestimmt hatte. Dirk Wildt, Berlin