Die Ruinierung der Männlichkeit

■ Kaja Silvermann über das Blickregime in der feministischen Filmtheorie

Manchmal läuft sie Gefahr, den vermeintlichen Gegner mit Argumenten zu versorgen und in die Falle des Revanchismus zu tappen. Dabei geht es Kaja Silvermann, die heute an der HfBK auf Deutsch einen Vortrag hält, nur darum, dem Kino seine Komplexität zu belassen. Es ist ihr Anliegen, gängige Modelle der feministischen Filmtheorie zu ergänzen. Wie jene zum Glaubensbekenntnis geratenen Rede von der Hollywood-Maschine, die über Blicke das Geschlechterverhältnis festschreibt. Der von Laura Mulvey 1980 in die psychoanalytisch gefluchtete feministische Film-Theorie eingebrachte männliche Voyeur, der Frauen auf der Leinwand und damit im Kino-Sessel zum Objekt macht, ist Silvermann zu einfach geraten, als daß er die ganze Wahrheit sein könnte.

Indem die Professorin für „Rethoric“ an der Universität Berkeley in Male Subjectivity At The Margins, ihrem wohl bemerkenswertesten Buch von 1992, den Kino-Zuschauer als Funktion in die kinematographische Blickkonstruktion einbaut, gelingt es ihr, den männlichen Blick nicht notwendigerweise an Kontrolle und Macht zu koppeln. Während sich im klassischen Hollywood-Kino das männliche Auge stets auf der Seite von Autorität und Gesetz befindet, führt Silvermann anhand der Filme von Rainer Werner Fassbinder vor, daß „der sehnsuchtsvolle, männliche Blick gerade für den Verlust von Kontrolle steht.“

Fassbinder geht noch weiter, indem er die Macht durch Blicke nicht nur entmachtet, sondern diese unabhängig über die Geschlechtergrenze zirkulieren läßt. Mit dem französischen Marxisten Althusser und dem Psychoanalytiker Lacan als Besteck zeigt Silvermann, wie sich männliche Gewalt im Kino Fassbinders gegen den männlichen Körper wendet. So betreibe er eine „Ruinierung der Männlichkeit“ und stellt männliche Figuren auf der Leinwand, die ihre Macht ablehnen. Durch ökonomischen, rassistischen oder sexuellen Druck entwickeln sich alternative Modelle, den männlichen Körper zu bewohnen.

Ähnliche Befunde liefert Silvermann auch für die Nach-Kriegs-Produktion Hollywoods. Hier sorgte das historische Trauma des 2. Weltkriegs für eine Veränderung der kulturellen Images, die sich in den Gestalten auf der Leinwand widerspiegelt. So zeigen die Kriegsheimkehrer einiger Hollywood-Filme um 1945 ein Männerbild, das sowohl körperliche Wunden als auch Verletzungen ihres intakten, kontrollierenden Männerbildes im Schützengraben verarbeiten mußten.

Im ganzen stellt Silvermann diese Formulierung einer nicht-phallischen Männlichkeit aber stets in den Dienst des feministischen Projekts. Der Ausbruch aus dem Teufelskreis der Männlichkeit wird zur Utopie. Volker Marquardt

Mi, 8. Mai, HfBK, Lerchenfeld 2, Raum 11, 18 Uhr