Grabhöhlen-Gold gfuwe

■ Das Übersee-Museum öffnet nach 96 Jahren seinen Tresor und zeigt „Die Wiederentdeckung des Goldes“

Money makes the World go round, und Gold ist auch nicht schlecht – zumindest, wenn es sich dabei nicht um einen einsamen Ehering, sondern um einen üppigen Schatz handelt. Seit der Entdeckung Amerikas haben die legendären Grabfunde in Mittel- und Südamerika die Spanier und andere Abenteurer in einen wahren Goldrausch versetzt. Jahrhunderte lang waren Räuberei und Massaker unter der Urbevölkerung die Folgen des gierigen Versuches, sich die erhofften oder phantasierten Schätze anzueignen. Um so erstaunlicher der Langmut, mit dem das Bremer Überseemuseum seinen eigenen Goldschatz aus dem Andenraum behandelt. Nun öffnet man plötzlich nach 96 Jahren den Tresor und zeigt zum 100sten Geburtstag die Ausstellung „Die Wiederentdeckung des Goldes, Goldkammer und Kultur des Andenraums.“

„Keine Ahnung“, sagte Direktorin Viola König auf die Frage, warum man den attraktiven und funkelnden Fund bislang im Verborgenen verstauben ließ. „Ich kann mir auch nicht erklären, warum das Gold bislang nicht gezeigt wurde.“ Dabei befinden sich die Schmuckstücke und Grabbeigaben seit 1900 im Besitz des Überseemuseums und ruhten mindestens seit dem Ersten Weltkrieg im Tresor der Landesbank. Typische Bremer Bescheidenheit? Zur Schaulust und Augenfreude hat man sich nun entschlossen, denn an Stelle der Dinosaurier-Abteilung wurde im Überseemuseum eine neue Dauerausstellung eröffnet. Im abgedunkelten Halbrund, das an eine rituelle Grabkammer erinnert, sind die Stücke nun arrangiert. Überwiegend Schmuckstücke, die der Oberschicht der kolumbianischen Ureinwohner auf den letzten Weg mit gegeben wurden: Ohrringe, Spangen und nierenförmige Nasenringe sind neben kleinen Stücken, wie einer Taschenflasche für den Cola-Konsum, zu sehen. Präsentiert hat man die Goldstücke in Vitrinen vor ziegelrotem Ton: schön wie im Juweliergeschäft. Die 144 Stücke finden nun einen würdigen und fast wissenschaftlichen Rahmen, der den zum Teil 2000 Jahre alten Kostbarkeiten bislang noch nicht vergönnt war. Welch bewegte Geschichte die jetzt in aller musealen Kostbarkeit präsentierten Stücke hinter sich haben, wird deutlich, wenn man den Weg zurückverfolgt.

„Um es klar zu sagen, nicht eines dieser Stücke stammt aus einer wissenschaftlichen Ausgrabung“, erklärt Amerika-Spezialistin Viola König. Ans Tageslicht gefördert wurden die glänzenden Schmuckteile schon seit Jahrhunderten von einem hierfür spezialisierten Berufszweig, den Grabräubern. „Noch heute ziehen ganze Familien, Lebens-, ja Dorfgemeinschaften von Fundstätte zu Fundstätte.“ Und wechseln den Standort, wenn alle Kostbarkeiten geborgen sind. Pech für die Wissenschaftler, denn das erschwert die wissenschaftliche Rekonstruktion. Aber so ist es immer gewesen; im letzten Jahrhundert haben Grabräuber, die mit langen Sondierstangen nach Grabhöhlen stocherten und so den Lebenunterhalt für die Familien verdienten, so umfassend gearbeitet, daß von einem Zusammenschluß der Zunft der Grabräuber berichtet wird. Ein rentabler Einkommenszweig, der seine Folgen hatte. Unter anderem florierte das Geschäft mit dem alten Gold so gut, daß ein gewisser Vicente Restrepo in Medellin mit einer „Goldscheide“, die zum Einschmelzen des Edelmetalls diente, Um satz machte. Bis zu diesem Ort, an dem alte Fundstücke, aber auch neu geschürftes Gold eingeschmolzen wurden, läßt sich der Weg des Bremer Goldschatzes zurück verfolgen. Knapp vier Kilo 580er Gold „ so gut wie die meisten Eheringe“ dürfte in den Jahren vor der Jahrhundertwende der Goldhändler, der seine Ausbildung als Chemiker in Deutschland erhalten hatte, beiseitegelegt haben. Wahrscheinlich schienen ihm einige der angekauften Stücke wegen ihrer Schönheit und technischen Perfektion einfach zu schade zum Einschmelzen. Warum er sie allerdings dem Bremer Kaufmann Carl Schütte schenkte, darüber kann nur gerätselt werden. Carl Schütte galt als Deutschlands „Petroleumkönig“; er hatte sich gemeinsam mit seinem Bruder seit 1859 aufs neue Geschäft mit dem Erdöl eingelassen, das anderen Kaufleuten wegen der feuergefährlichen Ware als heikel galt.

So hart das Importgeschäft mit der neuen Welt, so bewahrend und fürsorglich ist das Verhältnis des erfolgreichen Kaufmanns zur Heimatstadt gewesen. Ohne Schütte wäre der Dom möglicherweise noch immer unvollendet, gäbe es weder den Stadtwald noch den Botanischen Garten, und der erste Bremer Kunsthallendirektor Gustav Pauli lobte an Schütte, daß ihm der Neubau der Kunsthalle zu verdanken sei. Ein anderes Museum, das Überseemuseum, wäre ohne ihn vielleicht gar nicht entstanden, gab der Kaufmann doch einen nicht geringen Teil seines Vermögens zum Bau und schenkte dem Museum später den Schatz aus den Anden.Susanne Raubold