: Brandenburger Schüler gegen Berliner Müll
■ Die Knackpunkte: Wo sich Potsdam und Berlin gegenseitig erpressen werden
Nach dem Scheitern der Abstimmung zur Fusion stehen Berlin und Brandenburg harte Verhandlungen in fast allen Bereichen bevor. Der Fusionsexperte der SPD, der Abgeordnete Thomas Gaudszun, befürchtete gestern bereits, daß die Absicht guter Zusammenarbeit nicht mehr lange anhalten werde und beide Länder „relativ schnell auseinanderdriften“. Folgende Interessenskonflikte müssen Berlin und Potsdam lösen:
– Berlin will für die landwirtschaftliche Fakultät an der Humboldt- Uni nicht länger zahlen. Finanz- wie Wissenschaftsverwaltung drohen unter der Hand: Wenn bis Mitte des Jahres Potsdam nicht erklärt, den Studiengang mitzufinanzieren, wird er abgeschafft. Der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) kündigte gestern offiziell „stärkere Einsparungen“ im Hochschulbereich an.
– 3.000 Brandenburger Schüler, die die Schulen in den Berliner Stadtrandbezirken besuchen, droht die Abschiebung, wenn Potsdam sich nicht an den Kosten von jährlich 30 Millionen Mark im Jahr beteiligt. Im Gegenzug muß Berlin für 500 Schüler zahlen, die Brandenburger Schulbänke drücken. „Die Schulnutzung wird ein ständiger Konfliktherd“, sagt die Finanzexpertin von Bündnis 90/Die Grünen, Michaele Schreyer.
– Ohne Fusion entfällt für die Stadt die Verpflichtung, Lausitzer Braunkohle zu verfeuern. Die Bewag drängt bereits auf Preissenkungen.
– Bei der Planung eines Großflughafens droht weiter Chaos. Das Stolpe-Kabinett besteht auf dem fernen Sperenberg, die Große Koalition ist zerstritten, der Bund will Schönefeld. Berlin will den Havelausbau bremsen, weil das Geld für Brückenanhebungen und Schleusenverbreiterungen im Stadtgebiet fehlt.
– Der Senat will die Stadtflucht von Bewohnern und Wirtschaft mit Dumpingangeboten bremsen. Förderprogramme für privaten Wohnungsbau und Gewerbeansiedlungen werden aufgelegt. Brandenburg wird mit entsprechenden Billigangeboten antworten. So gehen Steuergelder durch gegenseitige Konkurrenz verloren.
– Durch die unsinnige Konkurrenz wird Brandenburg an den Überkapazitäten in der Krankenhausplanung festhalten, befürchtet der bündnisgrüne Gesundheitsexperte Bernd Köppl. Um einen noch stärkeren Betten- und Stellenabbau zu verhindern, werde Berlin dagegen darauf drängen, weiterhin rund 3.000 Betten für Brandenburger bereitzuhalten. Die Doppelplanungen in Buch und Bernau werden zementiert. Weil auch die Betriebskrankenkassen und die AOK beider Länder nun nicht fusionieren, verstärkt sich der Effekt des Gegeneinanderarbeitens auch hier.
– Das Potsdamer Kabinett kann im Gegenzug einen Teil seiner Interessen durchsetzen, indem es droht, die Berliner Müllieferungen auf Brandenburger Deponien zu blockieren. Dirk Wildt
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen