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■ QuerspalteWohin gehst du, Wanderer?

Nun wandert Norbert Blüm durch die Eifel – mit Strohhut und Wanderstöckchen und trällert sein „Die Rente ist des Müllers Lust...“. Auf Befehl vom Chef. Der hatte vor den Bonner Journalisten bestimmt: „Gehe spazieren, und mache keine Interviews!“ Seitdem fragt sich die ganze Republik: Warum sagt der Kanzler so etwas?

Er will Blüm bald ablösen, lautet die populärste Theorie. Aber wenn der Chef unzufrieden wäre mit dem kleinen Minister, würde er ihm dann gestatten, an frischer Luft zu entspannen? Kohl wolle seinen Minister vielmehr zu Höchstleistungen treiben, um den Generationenvertrag zu retten, sagen andere. Schließlich können Waldspaziergänge die Welt verändern. Das wissen wir alle spätestens seit 1982, als sich der sowjetische und der amerikanische Chefunterhändler beim Spazieren im Wald entscheidend näherkamen über die Abrüstung von SS-20-Raketen und Cruise Missiles.

Aber Blüm hat ein viel größeres Problem. So leicht wie die Supermächte ihre Raketen wird er seine Rentner nicht los. Vor allem hat Kohl nicht bedacht, was passiert, wenn Blüms Beispiel Schule macht. Durch Wandern hält der Körper entschieden länger durch. Das Beispiel unseres Altbundespräsidenten Karl Carstens zeigt, wohin das führt. Der starb mit 77 und überdauerte so die übliche Lebensspanne um glatte vier Jahre – zu Lasten des Generationenvertrages.

Vielleicht hat der Kanzler ja auch nur an Blüms Altersversorgung gedacht. Mit einem weiteren Wanderführer „Spazieren in der Eifel“ könnte Blüm seinen Lebensabend endgültig sichern – auch ohne Generationenvertrag. Oder überrascht uns Kanzler am Ende wieder alle? Mit einem Spezialauftrag für seinen dienstältesten Minister? Roman Herzog hat schon angekündigt, er will nur eine Amtszeit Bundespräsident bleiben. Soll Blüm vielleicht schon mal das Wandern üben? Schließlich sichert ein Lebensabend im Amt – keiner weiß das besser als der Kanzler – den großen Vertrag der Generationen. Matthias Urbach

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