: Bei Schwulen kein Ermessensspielraum
Weil ein schwules Paar für sie keine eheähnliche Lebensgemeinschaft darstellt, will die Ausländerbehörde einen schwulen Kroaten nach vierzehn Jahren Aufenthalt ausweisen ■ Aus Frankfurt am Main Heide Platen
Ante Curkovic verschwindet in der Küche und kocht die Frühstückseier. Im Wohnzimmer ist zwischen den gesammelten Gemälden kaum ein Zentimeter Platz an der Wand. Unter dem Fernseher steht ein Aquarium. Darin schlängelt sich ein kleiner Aal. Blumen, leicht angewelkt, Kerzen, eine mächtiges schwarzes Eckledersofa, auf dem der alte, grauweiße Kater von seinem nächtlichen Streifzug träumt. Der Kroate Ante Curkovic und Walter Paul haben sich eingerichtet im Frankfurter Stadtteil Bornheim. Zwei Zimmer, Küche, Bad, die Lebensgemeinschaft der beiden schwulen Männer hält jetzt schon 14 Jahre. Kennengelernt haben sie sich im „Stall“, einer Frankfurter Schwulenkneipe.
Seit 1982 lebt Curkovic in der Mainmetropole. Das Paar soll sich nun trennen. Die Frankfurter Ausländerbehörde will es so. Ante Curkovic zündet eine Kerze an und erzählt aus seiner Heimat, in die er nicht mehr zurück will und auch nicht kann. Die Verwandtschaft würde sein Schwulsein nicht akzeptieren: „Das ist ein Tabu.“ Hin und wieder vermißt er die Geselligkeit, die spontanen Feste in Familie und Bekanntenkreis. Beide haben ernsthaft überlegt, ob sie nicht auch in Kroatien leben könnten. Aber selbst in Zagreb hatten und haben es Schwule schwer: „Das war schon bei den Kommunisten wie bei der katholischen Kirche.“ Die Polizei kontrollierte die Treffpunkte, „manchmal alle zehn Minuten“. Curkovic ist sich sicher: „Ein schwules Paar, das sich öffentlich bekanntmacht, würde gesteinigt.“
Ermutigende Worte der Justizministerin
Paul schrieb eine Bittschrift an die Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth (CDU): „Wir haben unser Leben vollkommen aufeinander abgestimmt und wollen unsere Zukunft gemeinsam planen können.“ Paul leitet ein evangelisches Alten- und Pflegeheim. Seine Vorgesetzten sind damit einverstanden, daß er für sich und seinen Freund den Schritt an die Öffentlichkeit gegangen ist: „Wir wollen uns nicht verstecken.“
Ende Februar hatte der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts entschieden, daß Ausländerbehörden bei Erteilung der Aufenthaltserlaublaubnis für bikulturelle schwule und lesbische Paare einen Ermessensspielraum des Ausländergesetzes haben. Ein gesetzlicher Anspruch für die ausländischen PartnerInnen entsteht dadurch nicht, aber der Einzelfall muß geprüft werden.
Aus dem Bundesjustizministerium kamen im Namen der damaligen Ministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) ermutigende Worte für Curkovic und Paul. Die fand auch der hessische Justizminister Rupert von Plottnitz (Bündnis 90/Die Grünen). Nur, schrieb er, sei er nicht zuständig, sondern Innenminister Bökel (SPD). Dorthin hatte auch die ebenfalls angeschriebene Familienministerien das Anliegen verwiesen. Bökel sagte eine wohlwollende Prüfung zu: „Dieser Vorgang berührt mich auch.“ Allerdings, so seine Sprecherin Andrea Dobler, könne nichts unternommen werden, solange der Behörde das vollständige Bundesverwaltungsgerichtsurteil noch nicht vorliege. Daß Ante Curkovic inzwischen im 22. Semester an der Fachhochschule Frankfurt Elektronik studiert, ist nicht seine Schuld. Nur als Student habe er damals eine Aufenthaltserlaubnis bekommen. Das habe er nie verschwiegen, die Ausländerbehörde habe das gewußt und stillschweigend geduldet.
Ein schwules Paar ist kein Ehepaar
Im Winter 1994 stellte er einen Einbürgerungsantrag, der bisher unbeantwortet blieb. Im August 1995 kam die Ausweisungsverfügung: „Ein Ende des Studiums ist nach 22 Semenstern nicht in Sicht, das heißt, Sie haben seit 1992 bis heute keinerlei Fortschritte gemacht.“ Oberinspektor Preusser mochte es nicht hinnehmen, daß Curkovic nun mit der Aufrechterhaltung seiner Lebensgemeinschaft und deren Schutzwürdigkeit argumentierte: „Diese Auffassung teile ich nicht.“ Er drehte den Spieß um.
Curkovic habe seinen Antrag 1984 zwar mit dem Studium begründet, damals aber aktenkundig schon zwei Jahre mit Paul gelebt, das Studium also nur vorgeschoben, um „dauerhaft“ in der Bundesrepublik zu bleiben. Der Studienaufenthalt aber berechtigt nach dem neuen Ausländergesetz nicht mehr zur Einbürgerung.
Das Amt lehnte außerdem die Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigung zur Aufrechterhaltung der Lebensgemeinschaft der beiden Männer ab, da „selbst das Bundesverfassungsgericht weiterhin davon ausgeht, daß eine Partnerschaft, die der Ehe gleichgestellt werden will, jedenfalls eine heterosexuelle sein muß.“ Dies gelte auch für die Familienzusammenführung nach dem Ausländergesetz. Als Bleibegrund wollte er nur „Suizidgefahr“ gelten lassen.
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