DGB-Chef Schulte kündigt Arbeitgebern Kampf an

■ DGB-Vorstand will Koalition aus Kapital und Kabinett „mit allen Mitteln“ bekämpfen. DGB will mit Kirchen und Verbänden Sozialcharta veröffentlichen

Köln (taz) – Nach der gescheiterten Kanzlerrunde zum Bündnis für Arbeit sind die Gewerkschaften nun entschlossen, den Druck auf die Arbeitgeber und die Bonner Regierung „mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln zu verstärken“. Das kündigte gestern der DGB-Vorsitzende Dieter Schulte nach einer Bundesvorstandssitzung mit allen Vorsitzenden der Einzelgewerkschaften an. Für die Verschärfung des sozialen Klimas trügen allein die Arbeitgeber und, in ihrem Gefolge, die Bundesregierung die Verantwortung. Mit diesen beiden Partnern seien „gegenwärtig keine verläßlichen und tragfähigen Verabredungen möglich“, sagte Schulte. Die Bundesregierung sei mit ihrem beschlossenen Maßnahmenpaket voll auf die Linie der Arbeitgeber eingeschwenkt. Nie zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik habe es ein Regierungsprogramm gegeben, „das so unverhohlen und dreist den Schwachen nimmt und den Starken gibt“. Angesichts dieser Lage stünden die Gewerkschaften für Gespräche mit den Spitzenverbänden der Arbeitgeber und der Bundesregierung „gegenwärtig nicht mehr zur Verfügung“. Auch den von Kanzler Kohl angekündigten Beratungen zur Rentenreform werde der DGB fernbleiben. Auf regionaler Ebene wolle man das Bündnis für Arbeit aber mit Nachdruck in einzelnen Branchen, Betrieben und Verwaltungen weiterverfolgen.

Nach dem Scheitern der Kanzlerrunde habe er die „begründete Annahme, daß sich maßgebliche Kräfte in dieser Republik vom Sozialstaat verabschieden wollen“, sagte Schulte. Deshalb gehe es für die Gewerkschaften jetzt „nicht um irgendeine Protestaktion“, sondern um eine „grundsätzliche Auseinandersetzung“, die auf breiter Front das soziale Klima in Deutschland „belasten und verschärfen“ werde.

Bei dieser Auseinandersetzung hoffen die Gewerkschaften auf eine breite Unterstützung durch die Kirchen, Wohlfahrtsverbände und Basisinitiativen. Um diesen Pakt zu schmieden, trafen sich gestern rund 500 Teilnehmer auf Einladung des DGB zu einem zweitägigen „Sozialgipfel '96“ in Köln. Dabei kündigte Schulte an, die Gewerkschaften würden auf „den Klassenkampf von oben nicht mit dem Klassenkampf von unten antworten“. Sie seien statt dessen entschlossen, „diesen Sozialstaat und diese Demokratie unseres Grundgesetzes mit allen Mitteln zu verteidigen“. Die Teilnehmer des Sozialgipfel wollen sich heute mit einer „Sozialstaatscharta“ an die Öffentlichkeit wenden. Damit soll angesichts „von Abbau- und Abbruchplänen des Sozialstaats ein neuer Konsens gefunden werden“. Walter Jakobs