Das Lächeln der Zeiten

■ Der Easy Listening von Combustible Edison setzt die schöne Melodie ein

Wenn neue Musik nach der ästhetischen Herausforderung und dem damit verbundenen dissidenten Gehalt beurteilt wird, beißt sich die Katze irgendwann in den Schwanz. Denn was als Provoka-tion begann, endet, sobald man sich den Code angeeignet hat, im Genuß. So wird dann selbst Death Metal oder Klezmer nach einiger Zeit zu Pop.

Jahrelang wurde damit die schöne Melodie in Underground-Zusammenhängen abgelehnt oder nur als Zerstückelung im HipHop geduldet, weil sie verdächtigt wurde, für eine Versöhnung mit Welt und Gesellschaft zu sorgen. Nun kehrt sie mit Easy Listening als radical chic zurück. Jene Musik, die die Eltern gehört hätten, wenn sie denn hip gewesen wäre, kommt zur deren kaum verhohlener Überraschung als progressive Herausforderung daher.

Und daran haben Combustible Edison einen nicht unbeträchtlichen Anteil. Denn anders als bei Herb Alpert, Burt Bacharach, Esquivel oder James Last geht es hier nicht darum, die Musikgeschichte umzuschreiben und die Kunst der abgedrehten Komposition als Gebrauchsmusik neu zu bewerten. Denn das Bostoner Quintett um den Style-Polizisten The Millionaire versteht es, unterschiedliche Strömungen der 60er Jahre, die unter dem undeutlichen Emblem von Easy Listening segeln, zusammenzuführen. Mambo, Chanson, Foxtrott und Big-Band-Muzak finden charmant und aktuell zueinander.

Mit ihrem programmatischen Debut I, Swinger verstanden sie es, die Zeichen einer Zeit zu lesen, die nach neuen, alten ästhetischen Reizen lechzte und es war vor allem ihre Version von „Surabaya Johnny“ von Kurt Weill, die 1994 plötzlich zur auralen Herausforderung geriet. Denn diesen Weill-Klassiker trug Miss Lilly Banquette im deutschen Original vor, von dessen Inhalt sie ganz offensichtlich keinen blassen Schimmer hatte. Stattdessen schnurren Sehnsucht und Exotica im Titel zur Faszination an der reinen Ästhetik zusammen.

Diese Herangehensweise bei der Verwendung von Musikpartikeln ist symptomatisch für Combustible Edison, es geht ihnen um Schönheit und Stil, um Cocktail-Abende im Frack – aber auch um deren Vergänglichkeit. Insofern war es nur folgerichtig, daß kürzlich mit Quentin Tarantino ein anderer Swinger Combustible Edison als Soundtrack für seinen Episoden-Film buchte, spielt doch Four Rooms in einem Hotel, das schon bessere Zeiten gesehen hat. Mit einem ironischen oder wehmütigen Lächeln erzählt der edisonische Easy Listening immer auch von vergangenem Glanz – wofür es keinen passenderen Auftrittsort als das Café Keese gäbe.

Zwischen den Zeiten scheinen sie nun aber „schizophon“ geworden zu sein. Während I, Swinger noch recht kontingent geriet, zerfällt die aktuelle Platte Schizophonic. Spaghetti-Western, Operette, Sirtaki und hawaiianische Tiki-Kultur galt es auch noch in ihre Klangwelt zu integrieren. Dabei ist ein buntes Potpourri entstanden, ein Soundtrack für die Nouvelle Vague der 60er Jahre und die Lounge von heute. Volker Marquardt

Mo, 13. Mai, 21 Uhr, Café Keese