„Glück ist eine Haltung“

■ Ein Gespräch mit Etienne Chatiliez über seine neue Filmkomödie

Manchmal sieht ein ganzes Leben aus wie eine einzige, riesengroße Sackgasse. Bei Francis (Michel Serrault) ist das so: der Klodeckelfabrikant ist nur von Problemen umzingelt, von Lieblosigkeit und Dünkel. Nur sein Freund Gérard (Eddy Mitchell), der ein Genießerleben lebt, hält ihn noch aufrecht, als sich zum Alptraum seines Lebens ein neuer Alpdruck hinzugesellt: In einer „Bitte melde Dich“-Sendung wird ein Mann gesucht, der seit 20 Jahren verschwunden und ihm zum Verwechseln ähnlich ist. Was wie ein kafkaesker Horror um Sein oder Nichtsein beginnt führt aber letztlich in ein kaum vorstellbares, ganz reales Glück. Regisseur Etienne Chatiliez (Das Leben ist ein langer, ruhiger Fluß und Tante Danielle) hat mit seinem neuen Film Das Glück liegt in der Wiese ein subtileres, liebenswertes, warmes Werk gedreht, das selbst im November den Glauben an ein Leben vor dem Tod wachhalten könnte. Mit der taz hamburg sprach er darüber.

taz: Ihr Tonfall hat sich verändert. Sie sind nicht mehr so gallig.

Etienne Chatiliez: Ja, das stimmt. Meine Drehbuchautorin Florence Quentin und ich hatten Lust, etwas ganz anderes zu machen. Wir hatten zwei Filme gemacht, die die Gesellschaft und das Phänomen der Bosheit sehr kritisch betrachtet haben. Das waren sehr negative Filme. Der Neue ist ein positiver Film. Es hat uns amüsiert, genau das Gegenteil dessen zu machen, was uns bisher beschäftigte.

Wie kamen Sie auf diese Vision „schönen Landlebens“?

Das war die Idee von Florence. Wir wollten ein Frankreich zeigen, das sehr traditionell ist. Wir wollten etwas zeigen, das es immer gegeben hat, und das jetzt Gefahr läuft, zu verschwinden. Die Provinz, das gute Essen, der Wein, diese Mentalität des ewigen Nörgelns, etwas, das es nur in Frankreich so gibt, und das es nicht ewig geben wird. Andererseits wollten wir einen optimistischen, positiven Film machen, in einer Zeit die all das nicht ist.

Am Anfang hat man das Gefühl, das gute Essen sei soetwas wie das letzte „Opium fürs Volk“.

Ja, das ist es auch. Der einzige Moment, in dem Francis seine Ruhe hat, ist, wenn er mit seinem Freund Gérard essen geht. In der Fabrik läuft es nicht, zu Hause läuft es nicht – da muß der Restaurantkoch zum Ersatz werden. Eine Stunde Glück am Tag. Das ist die Wirklichkeit vieler Menschen.

Und die Freundschaft von Francis und Gérard?

Ich glaube, das ist keine Freundschaft, das ist Liebe. Eine heterosexuelle Liebe zwischen zwei Männern. Francis hat sonst keine Liebe in seinem Leben. Und Gérard ist einfach in den armen kleinen Hund verliebt. Normalerweise ist immer der kleine Hund in den großen verliebt. Hier ist es andersrum.

Findet das Glück sich leichter in der Sonne als bei Regen?

Wir sind da ein bißchen zu einfach vorgegangen: Das Glück findet bei Sonnenschein statt, das Unglück bei Regen. Zwischendurch wollten wir es einfach mal umdrehen. Schließlich ist das Glück etwas rein Mentales, und man kann sehr gut im Regen glücklich sein, oder in Helsinki im Dezember. Dazu braucht man keine Sonne. Das Glück ist eine Haltung. Man muß sich entschließen, es finden zu wollen. Man darf nur nicht immer glauben, daß es woanders liegt. Das ist der sicherste Weg, es nie zu finden.

Wie war die Arbeit mit Serrault?

Sehr schön. Ich hatte große Angst, denn ich habe noch nie mit einem Star wie ihm gearbeitet. Es war, als dürfte ich plötzlich bei den Großen mitspielen. Und es hat sich wieder gezeigt: Die Begabtesten sind am wenigsten anstrengend und schwierig.

Fragen: Thomas Plaichinger