Politik ist in der Familie am schönsten

■ Wie Werte hochgehalten werden und Parteipolitik von der Familiencouch aus gemacht werden kann, zeigen bei der CDU die Familien Kittelmann und Simon

Die Familie ist das Fundament, die Keimzelle des Staates. Sagt Bundeskanzler Helmut Kohl. Nichts ist im Fernsehen erfolgreicher als eine Familienserie. Da lebt und leibt es, da werden Fäden gesponnen und wieder zerrissen. Da wird, kurzum, quicklebendige Familienpolitik betrieben.

Warum aber zu „Denver“ oder „Dallas“ greifen. Da wäre zum Beispiel die CDU und ihre „Familiensaga Kittelmann“ – ein Titel für eine abendfüllende Serie. Hartnäckig haben sich nämlich Wilm und Peter Kittelmann und dessen Ehefrau Marion nach oben geschuftet. Der 56jährige Wilm gehört allerdings zur Spezies familiärer Spätzügler: Erst im Dezember gelang ihm der Sprung ins Bezirksamt Tiergarten, wo er nun als Finanz- und Wirtschaftstadtrat agiert. Seinem Bruder Peter und dessen Ehefrau Marion war stets mehr Glück beschieden. Während die Lehrerin seit 1991 im Abgeordnetenhaus sitzt, kämpfte sich Ehemann Peter in den achtziger Jahren bis in den Bundestag vor. Zuletzt aber zeigte der Mann mit den blinkenden Zähnen, der mit Eberhard Diepgen und CDU-Fraktionschef Klaus Landowsky in der schlagenden „Sängerschaft Borussia“ Bierkrüge gehoben hatte und Anfang der achtziger Jahre im Antes-Bauskandal eine ungeklärte Rolle spielte, deutliche Ermüdungserscheinungen. Erster Hinweis war sein Abgang ins Europaparlament in Straßburg, gemeinhin als Altersruhesitz bekannt.

Allerdings, ganz hat Pate Kittelmann dann doch nicht aufgeben wollen: Dort, wo alles einmal seinen Anfang nahm, im Kreisverband Tiergarten, regiert er nach wie vor als Vorsitzender. Auch andernorts in der CDU wird genügend Material für Familienalben geliefert. Zum Beispiel in Steglitz. Im dortigen Ortsverband Südende regiert seit geraumer Zeit Heinz- Viktor Simon, ein altgedienter Parlamentsfuchs. Sowohl Vater als auch Sohn Simon sorgten zuletzt für einigen Wirbel. Seit 1975 sitzt Heinz-Victor Simon im Abgeordnetenhaus, seit 1991 ist er Vorstandsvorsitzender der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft Gehag. Kleine Merkwürdigkeiten begleiten seinen politischen Lebensweg: So ist die Spitze seines Ortsverbandes gleich mit mehreren Gehag-Mitarbeitern besetzt, auch sein Sohn saß mit im Vorstand. Auch sonst zeigt Old-Simon ein erstaunliches Beharrungsvermögen. Eigentlich müßte er laut Landeswahlgesetz wegen seiner Gehag- Vorstandstätigkeit längst aus dem Parlament ausgeschieden sein. Doch der 52jährige Simon weigert sich beharrlich. Sohn Simon, 21, seinerseits blähte sich als Vorsitzender der Schülerunion mit knochentrockenem Konservatismus auf, forderte das Absingen der Nationalhymne in den Schulen und gesonderten Schulunterricht für Kinder von Asylbewerbern.

Trotz oder wegen dieses Unsinns katapultierten ihn die Delegierten auf dem letzten Parteitag in den CDU-Landesvorstand. Ein „Racheakt“ des Vaters, vermuteten damals Mitglieder der Jungen Union. Denn eigentlich sollte deren JU-Vorsitzender Heiner Kausch in das CDU-Spitzengremium gewählt werden. Dessen Organisation hatte allerdings einen Antrag eingebracht, der die Unvereinbarkeit von landeseigenen Vorstandsposten und Parlamentsmandaten einklagte. Der Antrag fiel durch – Simon jun. aber kam nach oben. Severin Weiland