Großflughafen bleibt in der Warteschleife

Nach der gescheiterten Länderfusion droht die erneute Blockade der Airportplanung. Trotz Finanzierungsangebots für Schönefeld will die Flughafen Holding nun am 15. Mai nicht die angekündigte Entscheidung treffen  ■ Von Hannes Koch

Durch das Scheitern der Fusion zwischen Berlin und Brandenburg drohen auch die Planungen für einen gemeinsamen Flughafen wieder ins Stocken zu geraten. Schönefeld oder Sperenberg? Die Entscheidung über den Standort könnte „schwieriger werden“, befürchtet Volker Kähne (CDU), Chef der Berliner Senatskanzlei. Es sei nicht auszuschließen, daß sich die Regierungen der beiden Länder wieder „auf die eigenen Interessen“ zurückbesinnen, so Kähne. Auch Justizsenatorin Lore Maria Peschel-Gutzeit (SPD), die für Berlin im Aufsichtsrat der Flughafen Holding sitzt, meint, daß „die Entscheidung für einen der beiden Standorte nicht leichter wird“.

Die Berliner CDU macht sich traditionell für den Ausbau des Flugplatzes Schönefeld stark, weil er wegen seiner stadtnäheren Lage wirtschaftliche Vorteile für die Metropole bringe. Die brandenburgische SPD-Regierung unter Ministerpräsident Manfred Stolpe hingegen plädiert für den Neubau bei Sperenberg, 60 Kilometer südlich Berlins – eine gigantische Infrastrukturmaßnahme für eine arme Region.

So steht in den Sternen, ob die Anteilseigner der Berlin Brandenburg Flughafen Holding (BBF) – neben Berlin und Brandenburg noch der Bund – sich irgendwann auf eine Meinung einigen und diese gegenüber der BBF-Geschäftsführung auch durchsetzen können. Das Führungsgremium der Holding tut derweil alles, um die Entscheidungsfindung weiter hinauszuzögern. Zwar hat der BBF-Aufsichtsrat die Geschäftsführung vor geraumer Zeit angewiesen, am 15. Mai ein Papier vorzulegen, das die Entscheidung für einen der beiden Standorte ermöglicht. Doch die Geschäftsführung, so deren Sprecher Eberhard Elie, wird nicht eindeutig Stellung beziehen.

Hintergrund ist wohl das Kalkül, die Debatte weiter in der Schwebe zu halten. Denn zuletzt lief sie in eine Richtung, die der Geschäftsführung nicht paßte. Hatte eine Firmengruppe doch ein umfassendes Ausbaukonzept für Schönefeld inklusive der notwendigen Finanzierung vorgelegt. Die drei Geschäftsführer der BBF sehen den Airport der Zukunft jedoch eher in Sperenberg – unter anderem wegen der dort angeblich unbeschränkten Möglichkeit, rund um die Uhr zu fliegen.

Dem Schönefeld-Konsortium gehört die Industrieverwaltungs- Gesellschaft (IVG) an, ein mittlerweile privatisiertes, ehemals bundeseigenes Unternehmen, das Immobilienentwicklung betreibt. Weitere Beteiligte: Daimler-Benz, der US-amerikanische Flughafenspezialist Airport Group International und die Dresdner Bank, die die Finanzierung regelt. Besonderen Charme hat das Angebot dieser Firmengruppe, weil sie Schönefeld ausbauen will, ohne öffentliche Subventionen zu beanspruchen. Angesichts leerer Staatskassen ein nicht zu unterschätzender Vorschlag, der besonders die Bundesregierung in seinen Bann gezogen hat. Bis 2010 will das Konsortium zwischen acht und zehn Milliarden Mark investieren, südlich des heutigen Flughafens Schönefeld eine zweite Start- und Landebahn bauen und damit die Kapazität auf rund zwanzig Millionen Passagiere pro Jahr steigern – weiterer Ausbau für bis zu vierzig Millionen Fluggäste nicht ausgeschlossen. Die gigantische Investitionssumme soll finanziert werden, indem man am heutigen S-Bahnhof Schönefeld eine Flughafenstadt (International Airport City Center) mit Kinos, Einkaufs- und Kongreßzentrum errichtet, die schließlich 60 Prozent der notwendigen Einnahmen einspielt. Überdies bietet man den drei öffentlichen Anteilseignern die Privatisierung der Holding an, die heute mit über 700 Millionen Mark verschuldet ist. Das könnte die staatlichen Eigner, die später nur noch gut 25 Prozent der Holding halten sollen, langfristig von einem lästigen Kostgänger befreien.

Doch auch für Sperenberg hat sich eine Firmengruppe in Stellung gebracht. Der Kampf der Giganten ist entbrannt, handelt es sich beim Flughafenprojekt doch um eine der größten Investitionsmaßnahmen im Berlin der neuen Gründerzeit. Der Baukonzern Philipp Holzmann AG – die Deutsche Bank im Rücken und beraten von der Lufthansa – will den alten sowjetischen Militärflugplatz bei Sperenberg zum Internationalen Verkehrsairport ausbauen. Die Investitionen und Fluggastprognosen bewegen sich im selben Rahmen wie bei der Schönefeldgruppe. Zwei entscheidende Nachteile hat das Sperenbergprojekt jedoch: Die potentiellen Investoren geben zu, daß sie 3,2 Milliarden öffentliche Subventionen brauchen, weil die Kreditzinsen sonst ins Unermeßliche stiegen und die Terminals sowie Rollfelder sonst nicht gewinnbringend zu betreiben wären. Zusätzlich würden die nach Sperenberg wesentlich längeren Straßen- und Schienenverbindungen nochmals 1,2 Milliarden mehr kosten als im Falle Schönefelds. Diese Haken bringen Brandenburgs Ministerpräsidenten Manfred Stolpe und die BBF-Geschäftsführung in die Defensive. Nun mauert man, wo es nur geht.

Freilich steckt der Teufel auch bei der Schönefeld-Lösung im Detail – den Gegnern bieten sich eine Fülle von Angriffsflächen. So ist es keineswegs sicher, daß das Schönefeld-Konsortium ohne öffentliche Zuschüsse auskommt. Zum Beispiel könnte der notwendige Ausbau des S-Bahnhofs Schönefeld schließlich doch noch zu Lasten der öffentlichen Hand gehen. Außerdem will die IVG keinesfalls die Altschulden der BBF übernehmen. Vor der Privatisierung des defizitären Unternehmens müßten also die Anteilseigner Berlin, Brandenburg und der Bund die 700 Millionen unter sich aufteilen.