Lauter Herzblättchen

■ Mit Yes-Torties und Ballermann feierten Kandidaten der Beziehungsanbahnungsshow in Berlin die "Herzblatt"-Party

„So, Oliver, jetzt mußt du dich entscheiden. Wer soll nun dein „Herzblatt“ sein?“ kam Susis Stimme gewohnt erotisch aus dem Fernseher. Gott sei Dank meinte sie nicht mich, sondern Oliver aus Kleve, der auf seinem Kandidatenhocker herumrutsche und plötzlich „die Drei“ sagte. Ausgerechnet die Drei – ausgerechnet die technoverrückte Jasmin aus Hamburg, wo er sich doch mit einem übergroßen Karohemd voll auf Grunge getrimmt hatte.

„In dem Augenblick habe ich nur noch an meine Mutter gedacht“, erinnert sich Oliver auf der „Herzblatt“-Party an die Aufzeichnung. „Weil das da ja nur um Sex ging – Kamasutra und so.“ Gott sei Dank fiel ihm ein Goethe- Zitat ein, das er noch schnell aufsagte, bevor sich die Trennwand zur Seite schob und den Blick auf die Drei freigab. Weil der HBH („Herzblatt“-Hubschrauber) im Nebel über München nicht hochkam, wurden Oliver und Jasmin erst mit dem Auto zur Zugspitze gekarrt und anschließend auf einen Schlitten verfrachtet. „Da hat uns dann so ein Almöhi vor den Baum gefahren.“

Irgendwie war's trotzdem schön, und deshalb ist Oliver wie hundert andere KandidatInnen zur „Herzblatt“-Party nach Berlin gereist, um sich noch einmal an den Ausflug in die große, weite Fernsehwelt zu erinnern. An damals, als sie für ein paar Tage in München kaserniert waren – tagsüber im Studio und abends im Hotel, wo Redakteure mit Walkie-talkies durch die Gänge liefen, um zu verhindern, daß sich einsame Menschen wie Oliver und die Drei nicht schon vor der Show begegnen. „Nach der Aufzeichnung haben wir dann alle zusammen den Tageslohn von 180 Mark im P1 verjubelt.“

Das scheint ganz schön zusammenzuschweißen, denn zum Wiedersehen der Herzblätter herrscht Remmidemmi wie in einer Dorfdisko: Auf den Tischen stapeln sich leere Fläschchen, ehemals gefüllt mit „Pink Panther“ und „Ballermann“ (Herb-Orange mit Wodka), und die Mädchen, die schon mehrere Ballermänner intus haben, kichern neckisch und machen sich irgendwann über die gesponserten Yes-Torties her, die überall herumliegen. „Da, die Jennie!“ ruft jemand und zeigt in Richtung Leinwand, auf der alte „Herzblatt“-Folgen vor sich hinflimmern. Und plötzlich drehen sich alle lachend zu Jennie um, und da muß Jennie jetzt auch lachen, wie sie sich selbst im Großformat sieht – so ganz ohne Ton.

„Warst du auch mal Kandidat?“ fragt mich jemand, der aussieht wie Reinhard Fendrich. Doch es ist nur Bernd aus Frankfurt, der sich eine ähnliche Haarfurche geföhnt hat wie der österreichische Moderator. „Der Reinhard ist viel besser als der Holländer“, sagt er, und sein Freund Jan nickt. Endlich mal einer, der durch „Herzblatt“ eine Freundin gefunden hat: „Irgendwann habe ich durch Zufall eine Bekannte in der Sendung gesehen und mir gedacht, wenn die schon per Fernsehen einen sucht, sprech' ich sie mal an.“ Seitdem sind sie zusammen.

Gegen Mitternacht ist die „Herzblatt“-Familie dann dermaßen angeschwollen, daß einige Mitglieder draußen vor der Tür bleiben müssen. Drinnen ertönt mitten in Boney Ms. „Ma Baker“ plötzlich die „Herzblatt“-Melodie. Alle warten jetzt auf Reinhard Fendrich, doch der steht gerade als Scheidungsanwalt vor der Kamera und schreibt außerdem an einem Musical. Statt dessen kommen die „Herzblatt“-Rapper mit einem selbstgebastelten Lied auf die Bühne gewankt: „Berlin, Berliiiin – laß uns um die Häuser ziehen.“

Doch um die Häuser zieht heute niemand mehr. Zu viele Ballermänner sorgen für glasige Blicke, und sogar Maskottchen Wilfried aus dem bayrischen Leiblfing guckt etwas indisponiert aus der Krachlederhose. Ein „richtiges „Herzblatt“-Original“, wie mich Redakteur Andreas Reinhard einweiht, „eigentlich züchtet der Gurken für McDonald's.“

Reinhard hat auch schon unter dem Holländer die Scouts losgeschickt, um auf Gurkenfarmen und in Diskotheken „verrückte Typen“ aufzuspüren, bei denen das Publikum bereits losprustet, bevor sie den Mund aufmachen. Zwölf Fragen dürfen die Kandidaten einsenden, von denen die Redaktion drei aussucht. In letzter Zeit immer die, bei denen es um Sex geht. „Stimmt nicht“, sagt Andreas Reinhard, schließlich könne die Redaktion ja nichts dafür, wenn sich alle Fragen immer wieder um das eine drehen.

„Stimmt doch“, sagt Oliver aus Kleve, er selbst habe unter den zwölf möglichen Fragen nur drei mehrdeutige gehabt, darunter auch die mit dem Kamasutra. „Und genau die haben sie genommen.“ Seiner Mutter muß er das nicht mehr erklären, denn die hat er vorhin von der Party aus angerufen: „Das mit dem Goethe-Zitat hat ihr gut gefallen.“ Oliver Gehrs

„Herzblatt. Die Show zum Verlieben“ läuft immer freitags, 19.25 Uhr, ARD