UN-Bericht von „wirrem Hirn“

■ Israelische Soldaten haben das UN-Camp bei Kana im Südlibanon wahrscheinlich mit voller Absicht beschossen

Tel Aviv (taz) – Die UNO wirft der israelischen Armee vor, den UN-Stützpunkt bei Kana im Südlibanon wahrscheinlich absichtlich beschossen zu haben. In einem am Montag abend im UN-Hauptquartier in New York vorgelegten neunseitigen Bericht heißt es: „Zwar kann die Möglichkeit nicht vollständig ausgeräumt werden, jedoch ist es unwahrscheinlich, daß der Beschuß des UN-Camps Folge grober technischer und/oder verfahrenstechnischer Fehler war.“ Bei dem Angriff auf das Hauptquartier des Fischi-Kontingents der im Libanon stationierten Unifil-Truppen waren am 18. April mindestens 102 Zivilisten getötet worden, die in dem Camp Zuflucht vor israelischen Angriffen gesucht hatten. Die israelische Regierung beteuert, es habe sich um ein tragisches Versehen gehandelt.

Im Widerspruch zur israelischen Version stellt der UN-Bericht fest, daß sich während des Angriffes sowohl ein unbemanntes israelisches Beobachtungsflugzeug als auch zwei israelische Hubschrauber im Luftraum über Kana befanden. Ebenfalls im Gegensatz zur israelischen Darstellung, berichtet die UNO von der gleichzeitigen Beschießung zweier Ziele, die 140 Meter voneinander entfernt waren. Dabei soll es sich einerseits um eine Stellung handeln, von der Hisbollah-Raketen gefeuert wurden und andererseits das UN-Lager.

Der UN-Bericht geht nicht so weit, wie einzelne UN-Vertreter. Ohne beim Namen genannt zu werden, waren sie in den letzten Tagen von Medien mit der Behauptung zitiert worden, der Beschuß des UN-Camps sei gezielt erfolgt. Kurz vor der Veröffentlichung des UN-Berichts hatte der israelische Außenminister Ehud Barak UN-Generalsekretär Butros Butros Ghali gewarnt, falls die UNO Israel beschuldige, das Unifil-Lager absichtlich unter Beschuß genommen zu haben, könne das die Beziehungen zwischen Israel und der Unifil in Mitleidenschaft ziehen. Israels Stabschef General Amnon Lipkin-Schachak sagte zu dem Bericht, nur „ein wirres Gehirn“ könne glauben, daß die israelische Armee absichtlich auf Zivilisten schieße.

Rückendeckung bekam Israel von der US-Regierung. Die US- Botschafterin bei der UNO, Madeleine Albright kritisierte den Bericht: Es gebe „einen beträchtlichen Sprung zwischen den Fakten und den Schlußfolgerungen, die wir entschieden ablehnen.“ Es sei absurd, von einem absichtlichen Angriff zu sprechen. Der UN-Bericht sei, „keine Hilfe für den Friedensprozeß im Nahen Osten“.

In der staatlichen syrischen Presse wird dagegen Israels Premierminister Schimon Peres persönlich für das Massaker in Kana verantwortlich gemacht. Syrische Medien verlangen die Verurteilung der schuldigen Israelis als Kriegsverbrecher.

Ein hoher Offizier im Hauptquartier der israelischen Truppen übte scharfe Kritik an der Unifil. Die UN-Truppe habe es versäumt, der israelischen Armee detaillierte Berichte über Orte zu geben, an denen libanesischen Flüchtlingen in UN-Lagern Unterkunft gewährt wurde. Amos Wollin