Beute für Pjotr

■ Tschernobyl-Opfer: SchülerInnen sammeln Tombola-Waren im Wert von 8.000 Mark

Wer heute zwischen 16 und 19 Uhr bei den Weserterrassen vorbeikommt, hat praktisch schon gewonnen. Er wird in ein Schulfest geraten und in eine Tombola, die jede Bürgerparktombola in den Schatten stellt. Es gibt tausend Lose, und JEDES Los gewinnt. Jogginganzüge sind abzustauben und eine Torte, Bionudeln und ein Kopfkissen, Gutscheine für einen Friseurbesuch, Designer-Einkaufstaschen und Schönheitspillen im Wert von 89 Mark. Nebenbei gewinnt auch Pjotr.

Pjotr – das ist der gute Zweck. 18 Schulkinder der Gesamtschule Mitte (GSM) haben die diesjährigen Projekttage ihrer Schule dazu benutzt, Geld ranzuschaffen für einen Mann, dessen Geschichte sie angerührt hat. Pjotr war einer der „Liquidatoren“ in Tschernobyl, die unmittelbar nach der Reaktorkatastrophe zum Aufräumen eingesetzt waren. Er ist heute strahlenkrank und müßte dringend operiert werden. In München gibt es zwar einen Arzt, der kostenlos operieren würde. Dennoch sind etwa 20.000 Mark für die Operationsreise nötig, sonst verliert Pjotr ein Bein.

Mit enormem Enthuasiasmus hatten die Siebtklässler schon zuvor mit Sammelbüchsen Geld gesammelt. Zur Vorbereitung der Pjotr-Tombola trainierten die Jugendlichen zunächst das Gespräch mit den Geschäftsleuten im Rollenspiel – wie wirkt man seriös? Begeisterung brauchten sie nicht zu trainieren, die war schon da. Dann teilten sie das Viertel untereinander auf und klapperten vier Tage lang O-Weg rauf und Dobben runter alle Geschäfte ab. Stimmung kam dabei auf wie beim Nikolauslaufen.

Stolz holten die Schüler in der Schule aus den Rucksäcken die „Beute“ – Bioschokolade, tönerne Hirsche aus einem Laden am Wall, einen Schwung Geranien vom Ziegenmarkt und Naßrasierer a 30 Mark. Ganz aufgeregt addierten sie den Wert der Dinge – und gestern abend stapelten sich in einem Klassenzimmer der GSM doch tatsächlich Waren im Wert von 8.000 Mark!

Projekttage an der GSM, das ist normalerweise Tanzen, In-line-skating, Skat, Ich baue mir ein Terrarium, Yton behauen, Kochen, Singen usw. Die Resonanz der „wuseligen 13-jährigen“ auf das weniger leicht verdauliche Pjotr-Projekt überraschte dann sogar die Lehrerinnen Irmi Blecker und Maria Meyer: „Die waren gar nicht mehr zu bremsen.“ Natürlich war im Unterricht über 10 Jahre Tschernobyl gesprochen worden; viele Schüler hatten auch an der Demo teilgenommen und Flugblätter verteilt. Aber richtig was tun können, einem echten Menschen helfen – das setzt offenbar die größte Energie frei. BuS

Spendenkonto: Schulförderverein der GSM, Sparkasse Bremen (29050101), Konto 11037991, Stichwort „Pjotr“