Schulstreiks stecken die Stadt an

■ Mißtrauen der Osterholzer Eltern gegenüber Behörde wächst / Solidarität in der ganzen Stadt

Die Lage wird explosiv. „Langsam spricht sich auch in den anderen Stadtteilen herum, was es heißt, wenn drei Prozent am Grundbedarf für die Schulen gestrichen werden“ (siehe a. taz v. 30.4/ 7.5.). Lizzie Most-Werbeck, eine der aktiven ElternsprecherInnen im Bremer Osten, triumphiert ein wenig. Von Huchting bis Gröpelingen, von Osterholz bis in die Neustadt haben Elternvollversammlungen in den letzten Tagen den Streik beschlossen. Spätestens einen Tag vor der kommenden Senatssitzung am Dienstag, in der die Lehrerneueinstellungen verhandelt werden sollen, werden sich nicht mehr nur Grundschulen am Streik beteiligen. Auch die Gesamtschule West und die Schule Leibnizplatz beispielsweise stehen bereits auf der Streikliste.

Von einem derartigen Zuspruch für den Streik, der seit dem 29. April läuft, hatten die InitiatorInnen an den Osterholzer Grundschulen nicht einmal geträumt. Lizzie-Most-Werbeck, Mitinitiatorin des Streiks und zugleich Mutter eines Kindes in der Grundschule Düsseldorfer Straße, hatte am Dienstag vor der letzten Elternvollversammlung sogar noch gezögert, ob sie den Eltern die Fortsetzung des Streiks vorschlagen sollte. Doch dann nahm eine andere Mutter ihr das Zepter aus der Hand: „Wir können doch nicht auf halbem Wege umkehren“ rief die, erntete tosenden Applaus von zweihundert Eltern – und die Sache war beschlossen.

„Die Eltern kochen richtig“, sagt auch Elternsprecherin Gaby Nickel-Rostkowski von der Schule Ellenerbrokweg. Dort hatte ein Besuch von Schulsenatorin Kahrs am Montag die Wogen kurzfristig geglättet – als dann am Dienstag jedoch Behördenpost eintraf, die statt des von Eltern und Schulleiterin errechneten Dreiprozent-Wegfalls von 12 Lehrerstunden die Kürzung von 30 Stunden vorgab, brandeten die Wogen wieder hoch. Nach dem sorgfältigen Prüfen der komplizierten Materie fand sich eine Erklärung: „Die Behörde geht von Prognosen aus, die im Jahr 1996/97 mit insgesamt 19.054 Grundschulkindern rechnen. Das sind 802 weniger, als an den Schulen gezählt wurden“, sagt Frau Most-Werbeck. Statt den Bedarf deshalb entsprechend zu erhöhen, würden die 802 einfach „unterschlagen“. „Das heißt im Ergebnis, daß die Kürzungen mehr als drei Prozent ausmachen“, folgern die Eltern und sind stocksauer. „Das hat die Senatorin uns am Montag verschwiegen“, sagt Gaby Nickel-Rostkowski. „Dabei hat sie uns versichert, sie sehe uns als ihre Lobby“.

Lizzie Most-Werbeck würde bewußte Fehlinformation nicht unterstellen. „Ich glaube, die Senatorin hat von vielem keine Ahnung“, sagt sie trocken. Daß Kahrs beispielsweise erst vor der versammelten Elternschaft im Ellenerbrok begriffen habe, daß im Sonderschulbereich statt drei, fünf Prozent gekürzt werden, habe „einfach keinen guten Eindruck“ gemacht. Die Eltern werden langsam dünnhäutig – „auch wenn es eigentlich einen ungeheuren Zusammenhalt gibt. Viele organisieren die Kinderbetreung gemeinschaftlich.“

Trotzdem: Die Kinder sehnen sich zurück in die Schule. Nur im Ellernbrokweg läuft ein „Aktionsprogramm“, wo Kinder spielen und basteln. „Ohne Schule weiß ich doch nicht, was ich machen soll“, sagen manche. In der Düsseldorfer Straße haben die Lehrer auf Bitten der Eltern hin ein Hausaufgabenprogramm für die Streikwochen erarbeitet. „Ich kenne keinen Schulleiter, der für die Aktionen der Eltern nicht Verständnis hätte“, sagt auch Ellenerbrokweg-Schulleiter Herbert Bloch. E.R.