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„SPD wirkt abschreckend“

■ Sozi-Chef Jörg Kuhbier zeichnet realistisches Bild seiner Partei / Vorstand radiert ein wenig herum und stimmt dann zu Von Uli Exner

Die Kritik des Vorsitzenden – abstrakt, aber schonungslos. Der Zustand der SPD im allgemeinen: zum Teil „beschämend schlecht“. Der Zustand der SPD in Hamburg: „Verlust der geistigen Vorherrschaft“, „abschreckend“, „resigniert“, kurz: desolat. Jörg Kuhbier, Chef des ortsansässigen Landesverbandes der Sozialdemokraten, findet deutliche Worte über seine Dauerregierungspartei, gestern vor der Presse, vorgestern bereits vor seinem Landesvorstand, ab heute in den Briefkästen der Mitglieder.

Auf fünfzehn Seiten hat Kuhbier zusammengetragen, was aus seiner Sicht zu massenhaften Parteiaustritten, miesen Wahlergebnissen und „einer für die SPD bedrohlichen Stimmungslage in Teilen der Bevölkerung“ geführt hat.

– Deutliche Worte an Rudi Schar-ping: “Die SPD hat sich um die klare Auseinandersetzung an knallharten Themen vorbeigemogelt.“

– Kräftige Tritte gegen den Senat um Regierungschef Henning Voscherau: “Es besteht der Eindruck, daß seit Jahren angekündigte Reformvorhaben wie die Verwaltungs- und Parlamentsreform, die Umsetzung einer ökologisch orientierten Stadt- und Regionalverkehrspolitik nicht sichtbar vorangebracht“ worden sei.

– Kurze Nasenstüber auch für Partei-Mittelbau und Basis: „Es gibt Filz“, „es mangelt gelegentlich an Realitätssinn“, „von wenigen Aktiven abgesehen ist die Partei nicht gut in Form.“

Anders als Vorgänger Helmuth Frahm, der aufgrund einer ähnlichen Einschätzung vor einem Jahr das Handtuch warf, versteht Kuhbier seine gelegentlich etwas umständlich anmutende Analyse als Aufbruchsignal – und erhielt am Montagabend im Landesvorstand prompt einen Dämpfer.

Jene Passage des Positionspapiers, in der Kuhbier von der abstrakten Beschreibung der SPD-Krisensymptome abwich und konkrete Fälle sozialdemokratischer Unvollkommenheit benennen wollte, strich der Vorstand. Weshalb die SPD-Mitgliedschaft heute nicht lesen kann, daß der inzwischen leidlich aufgelöste Stahlwerk-Skandal, die innerparteiliche Transrapid-Kontroverse, der zurückgezogene MVA-Standort Wilhelmsburg oder das wenig volksnahe Senatsgebaren bei der Ernennung einer Willy-Brandt-Straße mitverantwortlich sind für das mäßige Erscheinungsbild der Hamburger SPD.

Nicht weiter tragisch, kommentiert der Chef-Sozi die Kollektiv-“Zensur“, es lohne sich nicht, über diese Sätze zu streiten. Und damit jene Einmütigkeit zu gefährden, mit welcher der nach den kräftigen Flügelstreitereien des vergangenen Jahres mühsam wieder zusammengekittete Parteivorstand Kuhbiers “Positionspapier“ verabschiedete. Samt intellektuellem Anhang über die „pluralisierte Klassengesellschaft“ des Hannoveraner Soziologen Michael Vester.

Aus dessen Analyse (Die „moderne Mitte“ der Bevölkerung ist für die SPD „eher durch eine Politik des Aufbruchs und der Perspektiven mobilisierbar, eine Politik, die sich von den Grünen durch Realismus und von den Bürgerlichen durch Modernität und Offenheit des Stils abgrenzt“) leitet Parteichef Kuhbier dann auch seine – noch recht vage formulierten Handlungsanweisungen für Parteivolk und -spitze ab:

– Öffnung der Partei,

– Interne Kommunikation, insbesondere zwischen Senat, Fraktion und Partei, verbessern,

– rotes Profil schärfen,

– Filz vermeiden.

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