Reise ins Archiv

■ Mit „Memory Arena“ startet Kampnagel im Februar ein großes Erinnerungsprojekt

Zwölf Lampen werden eingeschaltet, und zwölf Leser beginnen vorzulesen. Jeder eine andere Biographie aus dem Who Is Who in Central & East Europe 1933. Hinter ihnen sitzen an Computern ebenso viele Schreiber. Die Worte erscheinen auf einer Projektionswand und werden von den Archivaren gesammelt. Dann gehen die Lampen aus, die Wanduhren bleiben stehen, und das Orchestra of Exited Strings beginnt zu spielen.

Das Ganze nennt sich Memory Arena und wird vom 16. bis 18. Februar als Programm gegen das Vergessen auf Kampnagel präsentiert. Ein halbes Jahrhundert liegt das Ende des Zweiten Weltkrieges zurück. Für die Kulturschaffenden Grund genug für dieses gigantische Wiederaufarbeitungsvorhaben. Drei Hallen nimmt die Installation des New Yorker Multi-Medialisten Arnold Dreyblatt und des Designers Fred Pommerehn in Anspruch. Doch bevor der Besucher in die eigentliche Memory Arena gelangt, muß er sich, quasi wie im richtigen Leben, seinen Weg durch die Bürokratie bahnen, seinen Ausweis vorzeigen und Formulare ausfüllen. Kurzentschlossene haben die Möglichkeit, sich selbst als Leser einchecken zu lassen, ihnen wird der Gang durch das Labyrinth erspart.

Von 19.30 bis 23.30 Uhr dauert das Spektakel an den drei Abenden. Die Karte gilt für das gesamte Wochenende, man muß also nicht vier Stunden am Stück in der Arena verbringen. Eine illustre Reihe von Personen des öffentlichen Lebens, wie Talkmaster und Literat Dr. Roger Willemsen oder den Chefdramaturgen des Thalia Theaters, Klaus Mißbrauch, konnten die Veranstalter als Leser gewinnen.

Ein Programm gegen das Vergessen. Aber was wird aus dem Anliegen der Künstler, das gern überschlagene Kapitel der deutschen Vergangenheit a la Schindlers Liste ins Bewußtsein zu rücken? Reicht es, Lebensgeschichten mehr oder minder bekannter historischer Figuren zu verlesen? Regt der Aufwand zum Nachdenken an? Es bleibt die Hoffnung, daß die „Reise ins Archiv“, so der Untertitel, nicht zu einer „Guck mal wer da liest“-Odyssee gerät.

Michael Quell