Freundinnen für den Tod

■ Es spukt in den Köpfen von zwei „Heavenly Creatures“

Die Kamera schnuppert über den matschigen Boden, kracht durchs Gebüsch und verliert sich in den labyrinthisch verzweigten Hecken. Sie nimmt die Fährte auf und heftet sich an die Fersen der beiden Teenager Pauline und Juliet und hetzt sie immer weiter. Im Kameraauge gerinnt das Grauen, das Böse, und – gepaart mit den tierischen Geräuschen – erscheint die Anfangssequenz von Heavenly Creatures wie eine Reminiszenz an David Lynch, ein Zitat, das bis an die Schmerzgrenze beansprucht wird. Die beiden Mädchen scheinen Opfer zu sein mit ihren blutverschmierten Gesichtern, und doch sind sie Täter – oder doch Opfer? All das wird erst mal nicht verhandelt.

Ein Werbefilm der Stadtverwaltung stellt das neuseeländische Kaff Christchurch mit bimmelnder Straßenbahn und glücklichen Radlern in den Bonbonfarben der 50er Jahre vor. Und schon wieder Blue Velvet. Jedoch nicht im schnellen Gegensatz zwischen heiler und kaputter Welt, zwischen Oberfläche und Tiefenstruktur liegt hier die Schärfe des Kontrasts, sondern erneut in der quälenden Länge der Szene. Heavenly Creatures martert mit einem anderen, zebrochenen Zeitgefühl.

Schräger Horror im biedermeierlichen Neuseeland stand auch bisher im Zentrum der Filmwelt von Peter Jackson. Mit Bad Taste, vor allem aber mit Braindead, schaffte er sich in Splatterkreisen einen guten Ruf. Doch bisher gewannen die Kettensägen, Zombies und die grotesk vögelnden Innereien noch immer die Oberhand.

Diesmal ist es gehobene Kunst und kein Trash, Heavenly Crea-tures bekam auch prompt den Silbernen Löwen von Venedig verliehen. Diesmal sind es richtige Menschen und ein authentischer Kriminalfall, der erzählt wird. Freundschaft gilt dabei als Begründung für das Unsagbare.

Juliet und Pauline sind gute Freundinnen, so gut, daß sie sich selbst genügen. Doch das gilt als verdächtig im muffigen Milieu der Kleinstadt, die sich als Feind aufbaut. Zunächst fliehen die beiden in eine schwärmerische Traumwelt, bevölkert von Mario Lanza, Hollywood-Stars und anderen edlen Rittern als dienstfertige Knetmännchen. Doch die Wunschprojektionen werden immer gewalttätiger und verfolgen die beiden Gören.

Volker Marquardt

Neues Cinema, Studio