116. Psalm, sechszehnfach

■ Am Sonntag erklingen im Dom 16 Vertonungen eines Psalms

Ein einzigartiges Dokument der Musikgeschichte entstand 1616, als der sächsische Hofbeamte Burkhard Großmann als ungewöhnlichen Dank für seine Genesung bei sechzehn Musikern eine Vertonung des 116. Psalmes bestellte. Es war eine musikwissenschaftliche Sensation, die nicht nur dem Forscherglück, sondern auch kriminologischer Suche zu verdanken war, als 1970 in Krakau die Sammlung gefunden wurde. Bis dahin galt sie – 1943 aus der Preußischen Staatsbibliothek ausgelagert – als verschollen. 1981 wurde sie zum ersten Mal eingesehen und 1994 von dem amerikanischen Musikwissenschaftler Christoph Wolff neu ediert. Wolfgang Helbich ist dieser Sammlung mit dem Titel „Angst der Hellen und Friede der Seelen“ „schon seit Jahren hinterher“ und führt sie nun am Sonntag abend im Dom auf.

Die „Uraufführung“ des Gesamtzyklus 1995 in Erfurt endete mit „standing ovations“. Die Komponisten des Zyklus aus dem thüringisch-sächsichen Raum sind heute zum Teil nicht mehr bekannt, doch ergeben sich durch das vergleichende Hören reiche Aspekte unterschiedlicher Begabungen und ästhetischer Positionen. Immerhin sind Christoph Demantius, Melchior Franck, Michael Praetorius, Johann Hermann Schein und sogar Heinrich Schütz dabei, dessen Vertonung natürlich die interessanteste ist. Aufgrund der hohen Qualität aller Vertonungen vermutet der Herausgeber Christoph Wolff, daß die Komponisten seinerzeit ihre „Aufgabe als einen Wettbewerb verstanden“ hätten.

Das morgige Konzert ist eines von vieren zum 25 jährigen Jubiläum des „Alsfelder Vokalensembles“. Der Kammerchor ist mit Bremen verbunden nicht nur über seinen Leiter Wolfgang Helbich, sondern auch über viele bremische Mitglieder. Zahlreiche Auszeichnungen und Schallplattenpreise krönen die Arbeit, die an Wochenenden stattfinden muß, da die Sänger aus ganz Deutschland kommen. Charakteristisch für die Arbeit des Chores ist die unermüdliche Suche nach ausgefallenem Repertoire und die immer weitere Qualifizierung inbezug auf die historische Aufführungspraxis. So musiziert das Ensemble in diesem Konzert zusammen mit der Gruppe „Musica Fiata Köln“. Ute Schalz-Laurenze

Am Sonntag, 20 Uhr, Dom