Die Liebe, ein Gift mit Süßigkeit

■ Premiere am Leibnizplatz: Märchenhaft-melancholische Interpretation von Shakespeares Vers-Epos „Venus und Adonis“

Was für ein Text! Shakespeares erstveröffentlichtes Werk ist ein Versepos aus 199 Strophen, das die Liebe feiert und verflucht, das sie als tödliche Wunde, als furchtbaren Schmerz, als vergeblichen Kampf und peinlichen Krampf in den Himmel der ewigen Dichtung hebt.Unerreichbar ist dabei das Glück selbst für die Liebesgöttin Venus. Sie hat sich eines Morgens blitzartig in den schönen Knaben Adonis verliebt. Dreist umgarnt, umspielt, umzingelt sie die „süße Blume“, sie fiebert nach den „mädchenhaften Gluten seiner Wangen“. Aber Adonis ist noch jung, er hat vor allem die Freuden der Jagd und sein Pferd im Sinn, er zieht sich spröde vor der zudringlichen, glühenden Göttin zurück. Venus versucht es mit List und Tücke. Am Ende hat sie dem „süßen Knaben“ einen Kuß gestohlen, aber von dem Geliebten, der auf der Jagd stirbt, bleibt nichts zurück als „ein Blümchen“, ein wildes Gedicht aus antikem Stoff. „Venus und Adonis“ im Theater am Leibnizplatz: Das ist ein klug gewählter intimer Rahmen und ein großes Soloprogramm für den Schauspieler Christian Kaiser. Die Regisseurin Silvia Armbruster läßt das Publikum auf der Hinterbühne Platz nehmen. Ein Kammerspiel-Raum, durch einen Vorhang gegen den Rest des Hauses abgeschirmt, beleuchtet von einem schweren Kronleuchter über der offenen Spielfläche. Christian Kaiser ist Erzähler und Venus und Adonis zugleich. Über einem hautengen, bunten Hosenanzug, der die Schultern fraulich freiläßt, trägt er einen weißen Umhang. Ein dekoratives Tuch, das er in den folgenden 90 Minuten vielfach nutzt: Es ist Kleid, Mantel, Schleier, Bettstatt und Totenhemd. Mit wenigen suggestiven Mitteln schaffen Silvia Armbruster und Isolde Stark (Bühne/Kostüme) eine Atmosphäre, die die Aufmerksamkeit ganz aufs Wort lenkt. Es wäre nicht nötig, das die Company zuerst zu ihrem alten Lieblingsspiel greift: Christian Kaiser als kühne Venus muß nacheinander einige Männer in der ersten Reihe des Publikums fixieren, angehen und berühren. Die Lacher sind auf seiner Seite, wenn der Auserwählte sich ziert, zurückzuckt. Und die liebeskranke Göttin prompt reagiert: „Er, der unwillig, doch gezwungen leidet, haucht keuchend seinen Atem ihr entgegen.“ Die derbe Komik nimmt dem hohen Ton jedes falsche Pathos, aber wenn der stellvertretende Adonis wenig Jünglinghaftes an sich hat, ist plötzlich auch die Sinnlichkeit dahin. Erst wenn Kaiser sich von diesem buhlerischen Anspiel lösen darf und Venus den begehrten Jungen als schönes Traumbild in die Luft malt, beginnt die Liebesjagd zu fesseln. Wunderbar gelungen die Passage, in der der Erzähler von Hengst und Stute spricht und die wild tänzelnden Pferde mit den passenden Fußbewegungen vorführt. Schön die ruhigen Momente, in denen er in leisen Sprechgesang fällt. Christian Kaiser – ein souveräner Sprecher –holt mit seiner warmen, weichen Stimme aus dem monotonen Singsang dieser streng gereimten Verserzählung einen märchenhaft-melancholischen Ton. Die zwischen Mann und Weib fließend wechselnden Bewegungen sind angenehm sparsam dosiert. Am Ende verflucht eine zornige Göttin die Liebe auf immer: „Sie sei ein Gift, bedeckt mit Süßigkeit, die selbst den schärfsten Blick mit Blindheit schlägt.“ Hans Happel

Nächste Aufführungen: 17., 22.5., jeweils 19.30 Uhr