Ein Bezirk im Osten schwimmt sich frei

■ Köpenick will zwei Freibäder an Sport- und Jugendvereine übertragen, aus gutem Grund

Not macht erfinderisch. Weil schon seit längerem klar war, daß der Senat auch bei den Bädern sparen wird, hat der Bezirk Köpenick schon vor Monaten die Netze nach Alternativen ausgeworfen. Bevor den Bädern das Wasser abgedreht werden muß, will man sie lieber an andere übertragen. Das Freibad Friedrichshagen und Wendenschloß stehen auf der Abgabeliste der Berliner Bäder Betriebe.

Sie hätten sogar schon auf Pachtbasis in privater Hand sein können, aber der Westberliner Unternehmer bekam letztlich vom Bezirk eine naßkalte Abfuhr. Der Jugend-und-Sport-Stadtrat Dirk Retzlaff (PDS) ist wieder entspannter, seit der Vertragsentwurf des Senats vom Tisch ist. Der war in seinen Augen regelrecht „kriminell“. „Wenn man für ein Riesengrundstück eine Pacht von einer Mark plus Mehrwertsteuer jährlich zahlt, sagt das ja wohl alles. Zumal die bauliche Unterhaltung der Verpächter übernehmen sollte.“ Retzlaff will sein Veto keineswegs als unternehmerfeindliche Prinzipientreue verstanden wissen, er habe nur etwas gegen schlechte Verträge. Und gerade mit diesem Vertragspartner habe man in Köpenick seit 1990 sowieso „unangenehmste Erfahrungen“ gemacht.

Beste Chancen als Pächter besitzen dagegen vier gemeinnützige Vereine, mit denen bereits seit 1994 verhandelt wird. „Die Idee, die kleinen Bäder in gemeinnützige Hand zu geben, kam schon damals von uns. Da gab's noch gar keine Bäderbetriebe“, sagt Retzlaff. Für das Bad Wendenschloß interessieren sich ein Postsportverein und die Turngemeinde in Berlin. Für Friedrichshagen besonders „Lollipop“, ein hier ansässiger Kinder- und Jugendverein, sowie ein örtlicher Sportverein. Außerdem schwirrt den Köpenickern immer noch die Überlegung durch die Köpfe, einen bezirksgeleiteten Stadtbetrieb zu gründen, der im Auftrag die Bäder betreibt. Mit Fördermitteln wie ABM-Bewilligungen oder Lohnkostenzuschüssen würde sich das rechnen.

Auch die Bewerber-Vereine arbeiten teilweise auf dieser Basis. Daneben bekommen sie teilweise über den Landessportbund Stellen finanziert, manches ist ehrenamtlich. Favorisiert wird das Vereinsmodell nicht zuletzt, weil es in Köpenick sehr gute Erfahrungen in dieser Hinsicht gibt. Seit 1992 liegt das Flußbad Gartenstraße in den Händen von „Die Köpenicker“, einem soziokulturellen Verein, der eine hervorragende Jugendherberge betreibt. Das Bad sollte damals geschlossen und zur Grünfläche umfunktioniert werden, was zu verhindern quasi Retzlaffs Amtseinstieg war. Zur Rekonstruktion des Flußbades erhielt der Verein etliche Lottogelder.

Für den Fall eines Übergangs der zwei Freibäder an die Vereine sind die Köpenicker auf alles gut vorbereitet. Die neuen Träger brauchten nicht mal Personal zu übernehmen, das aber auch nicht entlassen würde. Ein nahtloser Übergang ist geplant: Im Bezirk wurde zuletzt die Kleine Schwimmhalle in der Wuhlheide rekonstruiert, die am 17. Juni in Betrieb gehen könnte. Das Hallen- Personal soll aus der Stammbelegschaft der zu verpachtenden Freibäder bestehen. „Unterm Strich ein Nullsummenspiel“, erklärt Retzlaff. Das funktioniert jedoch nur, wenn die für 5 Millionen Mark umgebaute Schwimmhalle auch tatsächlich wiedereröffnet wird. Dies droht an der Entscheidung der Bäder Betriebe zu scheitern.

Der Köpenicker Stadtrat bevorzugt die Verpachtung an die Vereine insbesondere deshalb, weil die Folgen für die Badegäste kaum spürbar wären. Die Eintrittspreise würden höchstens den aktuellen Stand im Osten (Erwachsene 4 Mark, Kinder 2,50) erreichen, „wahrscheinlich sogar darunter liegen“, glaubt Retzlaff. Er strebt in den Verträgen sogar eine Orientierung an den bis vor kurzem geltenden Preisen (2,50 oder 1,50 Mark) an.

Wann nun endlich über die Vergabe der Freibäder entschieden wird, weiß er nicht. Immerhin sieht Retzlaff Licht am Ende des Tunnels: Aus den Pressemitteilungen der Aufsichtsratschefin der Bäder- Betriebe, Ingrid Stahmer, erfuhr er, daß man davon ausgehe, daß der Bezirk für beide Sommerbäder einen Pächter finden wolle. „Wenn ich das richtig verstehe, dann überläßt sie uns die Regie“, sagt der Kommunalpolitiker. Zumindest gebe es eine protokollarisch festgehaltene Absprache, daß der Senat keine Vertragsverhandlungen mehr ohne Beisein des Bezirks führen dürfe. An dem soll eine zügige Verpachtung ohnehin nicht scheitern. Dirk Retzlaff ist sicher: „Wenn die Bäder Betriebe jetzt zu uns sagen würden: Macht einen Vertrag!, dann geht's ganz fix, denn unsere Entwürfe liegen schon lange vor.“ Gunnar Leue