■ Die PDS diskutiert wieder einmal ihr Selbstverständnis
: Irdische Probleme des Kapitalismus

Bisher galt in der PDS das pluralistische Prinzip, daß jeder machen kann, was er will. Doch der gesellschaftliche Einfluß der PDS hat in den letzten Wochen erheblich zugenommen. Immer konkreter erklären PDS-Politiker ihre Bereitschaft, sich an Landesregierungen in den neuen Bundesländern zu beteiligen. Es scheint nur noch eine Frage weniger Jahre zu sein, bis der erste PDS-Landesminister vereidigt wird. Da wird es nicht nur immer wichtiger, das politische Profil der PDS auch in praktischen politischen Fragen zu schärfen, sondern es melden sich natürlich auch alle PDS-nahen Interessengruppen zu Wort, um ihre Ansprüche rechtzeitig anzumelden.

Noch keine Woche ist es her, seit die PDS bei der Fusionsabstimmung ihren bislang „größten politischen Erfolg“ erzielt hat. Schon sind die Demokratischen Sozialisten mittendrin in einer heftigen Debatte über ihr politisches Selbstverständnis. Viel Neues enthält der Brief nicht, den die beiden sächsischen PDS- PolitikerInnen Christine Ostrowski und Ronald Weckesser jetzt veröffentlicht haben. Die Westausdehnung der PDS ist spätestens bei den Bundestagswahlen 1994 gescheitert. Daß die Stärken der PDS in der Kommunalpolitik liegen, wo sich die Politiker mit den konkreten Problemen ihrer ostdeutschen Mitbürger beschäftigen, ohne sich um Grundsatzprogramm oder Parteistatut zu scheren, hat sich mittlerweile herumgesprochen.

Die PDS ist seit langem das Sprachrohr ostdeutscher Interessen und ostdeutscher Befindlichkeiten. Die klassenkämpferischen und radikalen linken Forderungen des Parteiprogramms wurde von der Mehrheit der Mitgliedschaft und von den meisten PDS- Wählern nie geteilt. Sie wurden mit Rücksicht auf die alten Kader und mit hoffnungsvollem Blick auf Wähler im Westen verabschiedet. Doch viele Ideologen von einst schlagen sich inzwischen mit den irdischen Problemen des Kapitalismus herum, die Wessis machen sich rar. Das PDS-Programm wird mehr und mehr zur Makulatur.

Intern werden diese Fragen und Probleme in der PDS seit langem diskutiert. Neu ist allerdings, daß sich die Praktiker aus den Kommunen und Landtagen jetzt vehement zu Wort melden. Sie haben offenbar keine Lust mehr, sich ständig vor den Vertretern des linken oder orthodoxen Parteiflügels zu rechtfertigen, wenn sie in ihrem politischen Alltag gegen deren Heilslehren verstoßen. Christoph Seils